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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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diesem Strahlen die geringste Ahnung zu haben. Zum Glück.
    «Dieses Gematsche, das ihr da anstellt», fragt Regina, «ist das so was wie die Rache der dritten Welt?»
    «So könnte man’s ausdrücken», sagt der Spatz. «Es macht jedenfalls tierischen Spaß.»
    «Na ja», sagt Regina und sucht auf dem Tisch nach Zucker, «wenn man’s realistisch sieht, ist es wohl eher so eine Art Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Autowaschanlage.»
    Er hält ihr eine Zuckerpackung hin: «Wenn man’s realistisch sieht, gibt man sich ’ne Kugel.»
    «Oder läßt es sein», Regina gibt nicht nach, «denn es ändert nichts.»
    «Bist du immer so schlau?»
    Er schaut griesgrämig von der Tischplatte hoch.
    «Weiß nicht», sagt sie, «stellt sich das für dich als Problem dar oder so?»
    «Problemoderso?» äfft er sie nach. «Vielleicht sollte ich dir vor dem Frühstück nicht begegnen.»
    «Vielleicht bin ich ja auch nicht immer so schlau», tröstet sie ihn. Sie muß gehen, weil sie noch Zeit haben möchte, bevor Sig sie abholt. «Vielen Dank für den Tee.»
    Einen Negerkuß für den Heimweg lehnt sie ab. Auf der Treppe dreht sie sich noch mal um und sagt: «Ich bin aber nicht WG -tauglich.»
    «Macht nichts», lächelt er, «einen Exoten verkraften wir.»
    Sie nimmt einen anderen Weg zurück, denn sie will sich an Herdern gewöhnen. Hier zu wohnen hat sie sich schon immer gewünscht. Hier ist die Welt noch im Dornröschenschlaf.
    Am Frühstückstisch schreibt Sig eine Liste der Dinge, die er noch kaufen muß. Kaffee, Milch, Zucker, Butter, Brot, Wein, Käse, Sprudel. Bettwäsche kann er von Andrea haben, bis ihm seine Mutter welche schickt. Es scheint ihm, als wäre Andrea froh, ihn aus dem Haus zu haben. Sie läßt ihn das nicht spüren, aber er glaubt zu merken, daß die Gastfreundschaft abgelaufen ist.
    Wegen der brisanten Situation am ersten Abend? Immerhin hätte sie ihren Mann fast betrogen, jetzt hat sie sicher ein schlechtes Gewissen. Und Sig erinnert sie daran, durch seine bloße Gegenwart. Vielleicht möchte sie auch von ihm, dem Herzensfreund, nicht bei der Banalität ihres ganz normalen Lebens beobachtet werden. Schließlich ist ihr dieses ganz normale Leben ja nicht gut genug. Sie will doch klüger, sensibler und philosophischer sein, als es mit einem ganz normalen Mann und ganz normalen Kindern geht.
    Sig ist nicht enttäuscht. Eher dankbar, daß sie ihn so leicht gehen läßt. Etwas Festhaltendes, Gieriges war schon immer in ihren Briefen gewesen und hatte ihn vor allzu großer Zuneigung zurückschrecken lassen. Sie fährt seine Sachen in ihrem Fiat in die Galerie, hilft ihm noch, alles hineinzutragen, und verabschiedet sich dann schnell. Sie küßt ihn auf den Mund und fährt ihm durch die Haare.
    «Danke für alles», sagt er.
    «Dito», sagt sie, steigt ein und fährt los.
    Er winkt ihr hinterher, als wäre dies ein großer Abschied, aber sie scheint es nicht zu sehen. Jedenfalls winkt sie nicht zurück.
    Das Einkaufen ist eine Tortur. Im Kaufhaus drängen sich so viele Menschen, daß man sich zu jeder Kleinigkeit durchkämpfen muß, als wäre da schon die Fahrkarte für die Arche Noah in der Tasche. Durch die Kaiser-Joseph-Straße wälzt sich ein dicker Strom von Leibern und Gerüchen. Phobieverdächtig. Sig tritt fast auf einen Bettler, der zum Gequengel eines Kassettenrecorders wahllos auf ein Xylophon haut. Der Recorder spielt Marschmusik und das Xylophon steht auf dem, was einmal seine Beine waren. Deutschland, denkt Sig, er muß was leisten, sogar als Bettler. Einfach dasitzen und was wollen geht nicht. Er muß dafür arbeiten.
    Er ist froh, endlich in die dämmerige Stille der Galerie zurückzukehren, und stellt die eingekauften Lebensmittel auf das Fensterbrett. Einen besseren Platz findet er nicht. Er wird sich einen Kühlschrank besorgen müssen.
    Die Galerie ist schon geschlossen. Er hat Ruhe, sich einzurichten. Das geht schnell. Er klappt die Bettwäsche mit dem Bett in den Kasten zurück, und schon ist aufgeräumt.
    Er setzt sich in den Sessel und hört der Stille zu. Die kleinen Schatten im Raum sind ihm schon wie Freunde. Kleine Schatten, denkt er, machen die Welt glaubwürdig.
    Ein Busch vor dem Fenster färbt das Licht grün. Es ist wie Ausatmen, endlich ausatmen. Endlich ist er ganz woanders. Ganz woanders und ganz nah dran.
    In seinem Schoß flattert die Erinnerung an gestern. An Regina, das Dali-Bild, die atemschnürende Beherrschung im Kino. Wie eine zielbewußte Ameisenpopulation

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