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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Nachdenken.
    Bald hatte sein Plan konkrete Form angenommen: Jeden zweiten Tag kommen frische Blumen in den christlichen Himmel. Die Sträuße sind freiwillige Delegationen aus dem Blumenhimmel und kommen im Rahmen eines alten Kulturabkommens. Am liebsten gehen sie zu den Buddhisten und Shintoisten, da gibt es Ikebana, aber zu den Christen kommen auch einige, wegen der Ehrenplätze, die man ihnen dort immer zuteilt. Der Transfer geht so vor sich: Frühmorgens um zwei Uhr begeben sich die Vasen zum Treffpunkt an der Himmelsgrenze. Dort warten schon die freiwilligen Schnittblumen. Bis drei Uhr morgens muß jede Vase ihre Blumen gefunden haben, denn spätestens um fünf Uhr müssen die Sträuße auf ihren Plätzen stehen. Dann kommen die Putzfrauen.
    Es gibt immer wieder traurige Szenen am Treffpunkt, wenn die übriggebliebenen Mauerblümchen gegen halb vier den Rückweg in den Blumenhimmel antreten.
    Es gibt zwei Arten Verschönerungsdienst. Verantwortlichen und Unverantwortlichen. Stavros Garipides bekam, wegen der Schwere seines Vergehens und in Anbetracht des Resozialisierungsgebots verantwortlichen aufgebrummt. Die Unverantwortlichen werden z.   B. Wasserhahn, Türklinke oder Schuhabstreifer. Die Verantwortlichen werden Ölbilder, Krawatten oder Vasen. Die Ölbilder müssen sich selbst restaurieren, die Krawatten müssen sich selbst binden und die Vasen holen Blumen und wechseln das Wasser jeden Tag.
    Stavros ist froh, daß ihn die Witzbolde nicht zu O’Rourkes Krawatte umgebaut haben. Das wäre ihnen auch zuzutrauen gewesen. Dann müßte er diesem Mistkerl von der Gurgel baumeln, hätte ein beschissenes Hufeisenmuster und dürfte nicht ein winziges bißchen zwicken oder würgen. Bei der geringsten Verfehlung wird man nämlich unnachgiebig runtergestuft, und selbstklebende Pril-Blume oder so was will er nun wirklich nicht sein.
    Am Morgen der Ex-Öku-Sitzung ist Stavros schon um Viertel vor zwei am Blumentreff. Er sucht sich in aller Ruhe einen ganz besonderen Strauß zusammen. Und zwar:
    1 Seerose
    2 Chrysanthemen
    3 Hortensien
    4 Astern
    5 Dahlien
    1 Erika
    2 Nelken
    3 Silberdisteln
    4 Enzian
    5 Rosen Hyazinthe
    2 Efeu
    3 Binsen
    4 Usambaraveilchen
    5 Narzissen Gerbera
    2 Fresien
    3 Rittersporn
    4 Edelweiß
    5 Iris
    1 Bauernbübchen
    2 Ulmenzweige
    3 Radieschen
    4 Geranien und
    5 Disteln.
    Er selbst ist eine ziemlich kleine Vase. Das heißt, alle Vasen in der Ex-Öku-Sitze, wie die Vasen ihren Arbeitsplatz nennen, sind klein. So fünfzehn Blumen passen vielleicht rein. Deshalb hat Stavros mit vier andern Vasen ausgemacht, daß sie mal ausschlafen können, weil er ihnen Sträuße mitbringt. Ganz scheinheilig hat er es angefangen. So auf die gewerkschaftliche Tour. Daß ja dann jeder nur alle fünf Mal so früh aufstehen müsse, und daß er gern damit anfange, weil er ja neu sei und so weiter.
    Natürlich sind die Vasen, mit denen er das Abkommen getroffen hat, genau die vier, die in einer Reihe mit ihm stehen. Und er hat sich den Platz gesichert, an dein der Pope sitzt. Ist ja logisch.
    Wenn Mikis jetzt die Anzahl der Blumen jeder Sorte und den Anfangsbuchstaben ihres Namens in eine Reihe bringt, hat er den kompletten Code. Genial.
    Armin, der Chef der Exekutiven-Ökumene, betritt wie immer als erster den Saal. Was für scheußliche Blumensträuße, denkt er und schüttelt den Kopf. Da muß jemand an einer kolossalen Geschmacksverirrung leiden. Sonst war’s doch immer ganz nett. Vielleicht bißchen bieder, aber immer nett. Na ja, er hütet sich, was zu sagen, denn nach dem Resozialisierungs-act von 1959 ist es verboten, geschmackliche Urteile einzubringen. Rügen oder gar Versetzungen sind nur angebracht, wenn dem Verschönerungsdienst grober Unfug oder Schädigung von Leib und Leben nachgewiesen werden kann. Allerdings könnte man diese Farbzusammenstellung schon groben Unfug nennen. Aber was soll’s. Er hat Wichtigeres zu tun.
    Später, die Sitzung ist in vollem Gange, und es wird gerade ein Oberflugverbot für Vögel ab einer bestimmten Spannweite verhandelt, da läßt sich Garipides einfach umfallen. Der Pope stellt ihn gedankenverloren wieder auf, steckt die rausgerutschten Blumen wieder rein und ruft nach der Putzfrau, damit die das Wasser wegputzt. Seltsam, die Wasserlache auf dem Tisch hat die Form eines Omega. Omega? Olympia? Die Olympische Einheitsfront. Das muß dieser gekaschte Aktivist sein. Wie hieß der noch? Kalamares? Oktapodi? Garides? Irgendwie so ähnlich. Es war was

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