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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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schon lang. Er schaltet sich zwischen Haupt- und Arbeitsspeicher und liest jeden rausgehenden Namen in sich selber ein. Gut gemacht, Jungs, denkt er, als er feststellt, daß die Namen allesamt aus Freiburg-Erde stammen.
    Gott sieht das ganze eher sportlich. Armin und seine Amis in der Exekutiven Ökumene mag er schon lang nicht mehr leiden. Überhaupt die ganze Entwicklung der letzten Jahre … Das macht doch keinen Spaß mehr. Das ist doch kein Himmel mehr. Manchmal beglückwünscht er sich selber, daß er sich rechtzeitig zu einem Softwareprogramm umgebaut und dem Zugriff dieser Deppen entzogen hat.
    Sollen die Greeks doch Stunk machen. Ist ihm nur recht. Er sympathisiert zwar nicht mit ihren Zielen, Vielgötterei findet er ineffektiv, aber er mag sie als Typen. Sind irgendwie noch natürlicher drauf als diese Clique um den Präsidenten.
    Die ganze OEF -Sache hat er rein zufällig entdeckt, als er mal im Orthodoxen-Speicher übernachtete. Er konnte vor lauter Aktivitäten nicht einschlafen und las sich zum Spaß in die ablaufenden Prozesse ein. Seitdem kennt er die raffinierte Machenschaft. Er findet’s lustig.
    Auf einen Sprung schaut er noch im CHIA -Zentralcomputer vorbei, aber da tut sich nichts. Eins zu null für die OEF ler.
    Genug für heute. Er materialisiert sich aus einer Steckdose und geht zur nächsten Bushaltestelle. Er hat Lust auf frische Luft. Das heißt, was diese Spanier und Italiener mit ihren Knoblauchfürzen an frischer Luft übriggelassen haben. Auf Südländer, mit Ausnahme der Greeks, ist Gott nicht so gut zu sprechen. Die machen zu viel Tamtam, haben keinen Stil, tun Essig an den Salat und können sich zu nichts entschließen. Gott war früher Engländer. Das heißt, Kelte. Die Gegend, in der er aufwuchs, wurde aber später zu England, und deshalb fühlt er sich als Engländer. Jeder muß irgendwo dazugehören, auch Gott.

W enn ich schon neu anfange, denkt Regina, dann muß ich auch weg aus dieser WG . Seit sie damals ihre Schönheit einzog, versuchte die den Anforderungen der Außenwelt durch Unauffälligkeit zu entgehen. Hier zog sie ein, um nicht mehr aufzufallen. Das klappte aber nur nach außen. Nach innen, gegenüber den Mitbewohnern, fiel sie doch auf. Und zwar sehr.
    Bei den allwöchentlichen Gesprächen setzte sie sich regelmäßig in die Nesseln. Sie verweigerte den Begriff «Beziehung» und verlangte, daß statt dessen von Liebe gesprochen würde. Sie sagte, laßt euch doch nicht auch noch die Liebe wegnehmen.
    Sonni, Marius und Elke fanden sie ganz schön arrogant. Eine Weile kämpfte sie noch gegen den üblichen klinisch-psychologischen Wortschatz, indem sie sagte, ihr macht euch selber zu Versuchskaninchen, wenn ihr euch mit diesen fremden und mitleidlosen Augen beobachtet. Aber auch damit kam sie nicht durch. Sie hielt flammende Reden für den präzisen Gebrauch der Sprache. Sie sagte, die Bezeichnung, die ihr verwendet, formt eure Gedanken, und eure Gedanken formen dann euer Erleben. Eines Tages steht ihr da und habt nach einem wundervollen Abend tatsächlich nur erlebt, daß sich einer eingebracht hat oder ein anderer besonders gut drauf war oder ihr auf irgendwas abgefahren seid.
    «Was ist dagegen zu sagen, wenn man auf was abfährt?» hatte Elke erwidert, und von dem Moment an gab Regina auf. Sie sagte nichts mehr. Brachte sich irgendwie nicht mehr ein. Seitdem steht sie als Störfaktor in dem Vier-Personen-Kosmos herum. Das Untertauchen in dieser Daseinsform hat also nicht geklappt.
    Jetzt, da Sig aufgetaucht ist, erlebt sie so etwas wie den Beweis für ihre Beharrlichkeit. Erlebt Dinge, die sie erschüttern, obwohl sie sie selber verursacht. Bis gestern wußte sie selbst nicht, daß sie so mutig sein kann. Sie hätte nie gedacht, daß sie sich solche Sachen traut.
    Ich muß aufpassen, denkt sie, immer wenn ihre Gedanken auf Sig stoßen. Sie darf nicht die Kontrolle verlieren. Nie. Wie ein offenes Buch will sie nie dastehen. Sie setzt «offenes Buch» gleich mit «ausgelesenes Buch».
    Offensive Zurückhaltung nennt sie das, was sie vorhat. Ihren Neuanfang will sie so, daß sie das Steuern seiner Faszination nicht aus der Hand gibt. Sie muß immer einen Schritt voraus sein. Auch wenn sie dafür gelegentlich abrupt die Richtung wechseln muß. Sie will ihn jagen, ohne ihn zu erlegen, will fliehen, ohne unerreichbar zu sein. Das ist ein komplizierter Plan.
    Sie muß weg aus dieser Wohngemeinschaft. Aber nicht zu Sig. Das geht auf keinen Fall. Ohne Rückzugsgebiet keine

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