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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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falsch macht.
    Schweigend gehen sie zur Galerie zurück. Die Wolke, auf der Sig jetzt geht, rührt von dem Film her. Er schenkt Wein ein. Sie setzt sich wieder auf den Tisch und er in den Sessel.
    «Willst du nach Hause?»
    Sie schüttelt den Kopf. Nach einigem Schweigen sagt sie: «Da bin ich nicht zuhause.»
    Er ist froh über diesen leisen, weichen Satz. Langsam kommt er aus dem Film in die Wirklichkeit zurück. Trotz der Schäbigkeit des Zimmers und trotz des leichten Frösteln, das den Wiedereintritt in die Atmosphäre nach guten Filmen immer begleitet, findet er die wirkliche Welt ausnahmsweise den besseren Platz.
    «Spürst du schon wieder was?» fragt Regina.
    «Ja.»
    «Warum sagst du das so ängstlich?»
    «Vielleicht ist es doch so, daß wir jetzt was verpulvern, was uns nachher fehlen könnte.»
    «Lust-Ration?»
    «So ähnlich, ja.»
    «Ach komm, ich hab auch Lust.»
    Er holt die Matratze vom Bett und legt sie auf den Boden. Sie nimmt ihm die Bettwäsche aus der Hand und bezieht alles. Er löscht das Licht im Zimmer und läßt nur das in der Dusche an. Dann schließt er die Tür so weit, daß nur noch ein schmaler Keil von Licht in den Raum fällt.
    «Statt Kerzen», sagt er.
    «Schön.»
    Sie hat Kleid und Schuhe abgestreift und setzt sich in den Sessel, um die Strümpfe nach unten zu rollen. Jedesmal, wenn sie unten ankommt, fallen ihre Brüste aus dem Hemd. Er zieht sich wie immer ungelenk aus. Nackt tut er so, als ob er friere, damit er gleich unter die Decke schlüpfen kann.
    Lachend legt sie sich zu ihm und bedeckt seine Schultern, Hals und Brust mit kleinen Küssen. Dann bricht sie zum erstenmal das sich selbst gegebene Versprechen, nichts mit ihm zu tun, was sie schon mit anderen getan hat, und setzt sich auf ihn. Seine Hände sind in ständiger Bewegung. Wenn er ihre Brüste berührt, kann er sie nicht sehen, wenn er sie sieht, nicht berühren. Perpetuum mobile, denkt er, so ähnlich muß es funktionieren.
    Später liegen sie langgestreckt und aneinandergedrückt. Die Matratze ist so schmal, daß einer unweigerlich draußen landen müßte, leisteten sie sich nur die geringste Krümmung.
    Es muß ja nicht alles neu sein, denkt Regina beim Einschlafen, Bewährtes darf bleiben. So hat sie schon manchen in den Himmel geschaukelt. Aber das ist lang her. Sehr, sehr lang. Außerdem, was soll der Unsinn, wenn das Gefühl weiß, was es will.
    Beim Aufwachen findet sich Sig allein. Der Rücken tut ihm weh, er liegt noch immer stocksteif. Beim genauen Hinhören zerfällt die Hoffnung, Regina könne in der Dusche sein. Kein Geräusch. Auch im Galerieraum ist sie nicht. Nichts von ihr ist zu sehen. Schon wieder hätte sie pure Einbildung sein können. Nein, ein Zettel liegt auf dem Tisch.
    Ich komm gegen sechs Uhr. Schönen Tag.
    Statt der Punkte auf dem Ö hat sie zwei Herzchen gemalt. Wie bei einem Schülerliebesbrief. Froh, ohne Grund erschrocken zu sein, stellt er die Kaffeemaschine an und geht unter die Dusche.
    Nach dem Frühstück wäscht er Teller und Tasse ab und geht zum Bahnhof. Das sonntägliche Freiburg schlendert frischgewaschen wie er, zufrieden und lässig von Schaufenster zu Schaufenster. Die Menschen scheinen erleichtert, ausnahmsweise mal nichts kaufen zu müssen. Plaudernd und mit ihren Kindern schäkernd stehen sie vor den Auslagen. Hat Gott den Sonntag deshalb eingeführt, daß nichts gekauft werden muß? Als Verschnaufpause?
    Der Beamte am Expreßgut-Schalter sagt, die Sachen seien schon seit gestern hier. Je einen Koffer in der Hand und die zusammenklappbare Staffelei unterm Arm, geht Sig zum Taxistand.
    Im ersten Wagen sitzt eine Fahrerin. Er ist froh, nicht schon wieder dem Unsympathen mit dem abgebrochenen Stern zu begegnen. Er packt die Sachen in den Kofferraum.
    Auf das Auspacken der Farben, das Aufstellen der Pinsel und der Staffelei und das Aufziehen eines ersten Blattes freut er sich richtig. Angekommen, packt er alles, als wären es Geschenke, auf den Tisch.
    Er stellt die Staffelei ins Licht und legt sich, was er braucht, zurecht. Ohne Nachdenken fängt er zu malen an. Er ist glücklich. Schon nach den ersten Farbtupfern, Flächen und Spritzern, die er ungezielt und locker aufs Papier wirft, merkt er, wie sehr ihm die Arbeit gefehlt hat. Als müsse er wieder aufholen, malt er schnell und konzentriert, und nichts geht ihm schief.
    Kurz nach sechs, als Regina an die Glastür klopft, hat er vier Bilder angefangen und ein fünftes fertig.
    «Wie siehst du denn aus?» lacht sie,

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