Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
Vom Netzwerk:
gehen. Dreitausend Mark. Ich brauch ein Konto hier, denkt er. Was Geld angeht, ist er ein richtiger Schwabe. Er ist sparsam. Außer Malutensilien und Kassetten für den Walkman braucht er nichts. Er weiß jetzt schon, daß die neue Jacke ihn die nächsten zehn Jahre begleiten wird.
    Auf jeden Fall wird er die Karten bezahlen. Außer gestern hat er noch nichts für sie beide bezahlt.
    «Sollen wir den Film ansehen, den wir gestern irgendwie versäumt haben?»
    «Besser nicht», lacht sie, «versuchen wir einen neuen.»
    Er wäscht das Geschirr ab und kippt das Fenster, denn die Luft im Zimmer ist verqualmt.
    Wie ein zufriedenes Ehepaar schlendern sie Arm in Arm an den Kinopalästen vorbei. Sie lassen sich Zeit. In Momenten, in denen er sich unbeobachtet glaubt, wirft Sig Seitenblicke auf Regina. Sie ist so schön. Eine Schönheit auf den zweiten oder dritten Blick. Zuerst war da nur das fröhliche Lachen und dieser Mund. Da war ihre Frechheit und die Freiheit, so natürlich zu sein. Von nichts eine Kopie. Und da war die Leichtigkeit, mit der sie ihn anzog, abschmetterte und wieder anzog.
    Erst beim Warten auf sie, als er ihr Gesicht in seiner Erinnerung zu rekonstruieren versuchte, fing ihre Schönheit an, ihm klarzuwerden. In seinen Tagträumen kam ihr Gesicht näher und plastischer auf ihn zu als vorher im Zug.
    Sein inneres Auge hatte mehr gesehen, als er wußte. Als er sie dann wiedersah, war es nur noch eine Bestätigung und keine Überraschung mehr. Jetzt, da sie ihren Körper so selbstbewußt und selbstgewollt mit ihm teilt, ist diese Schönheit sichtbar, fühlbar und nicht zu umgehen.
    Sie hält an, um ihm den Schal fester um den Hals zu wickeln. Normalerweise stört ihn jede mütterliche Geste, aber jetzt ist es eine Zärtlichkeit, die ihm gefällt.
    «Von mir aus kann der Rest der Menschheit Urlaub haben. Ich brauche niemanden außer dir», sagt er.
    Ausnahmsweise antwortet sie nicht. Sie lächelt nur.
    «Danke», sagt er erstaunt, «daß du das ohne Widerworte hinnimmst.»
    «Schweigen ist doch nicht hinnehmen. Ich kann dich doch einfach mal in Ruhe lassen.» Da sind sie schon, die Widerworte.
    «Bin wohl selber schuld», sagt er resigniert, «hätt ich meinen Mund gehalten, dann hätt ich dran glauben können.»
    «Hast du schon wieder was dazugelernt», sagt sie.
    Man darf wohl nicht auch noch ein Schild drauf stellen wollen, wenn sie einem schon mal Terrain überläßt. Lieber nimmt sie ein Zugeständnis zurück, als sich auf eine Unterlegenheit festnageln zu lassen.
    Seltsam, denkt er, das paßt nicht zu dem, was wir eben getan haben. Sie hält mich mit Worten auf Distanz, aber sitzt vor mir auf dem Tisch und läßt mich tief in sich hineinsehen. Sind ihr die Worte wichtiger? Zählt das Geplänkel mehr, als daß wir nackt voreinander sitzen und uns kompromittieren?
    Und die schwarzen Strümpfe. Er kann sich nicht vorstellen, daß eine Frau für sich selbst mit solch voyeuristischen Reizen umgeht. Das muß sie für ihn getan haben. Soviel er weiß, sind die Frauen viel mehr auf Berührungen aus als auf Anblicke. Frauen, die erotische oder pornographische Filme ansehen, hat er immer im Verdacht, nur ihren Männern zuliebe mitgegangen zu sein.
    Es gibt ihm einen Stich, wenn er sich vorstellt, daß sie in diesen Dingen Erfahrung haben könnte. Kurtisanenerfahrung.
    Genau das wollte sie vermeiden. Genau solche Spekulationen sollte er nicht anstellen. Genau deshalb will sie bei null anfangen.
    Für «Purple Rose of Cairo» hätten sie sich besser etwas früher entschieden. jetzt bekommen sie nur noch schlechte Plätze. Immerhin nebeneinander. Höchste Zeit, das schwarzhaarige Langnese-Mädchen spielt schon wieder Saxophon am Strand von Travemünde oder Malibu.
    Als Regina die Hand auf seinen Schenkel legt, zuckt er zusammen.
    «Keine Angst», flüstert sie, «nur berühren.»
    So weit ist es schon. Ein Reflex. Er zuckt im Kino zusammen. Und unsichtbar ist er auch nicht mehr. Noch vor drei Tagen war er sich sicher gewesen, nirgends bemerkt zu werden. Er war manchmal versucht gewesen, in irgend jemand hineinzulaufen, bloß um zu sehen, ob er aus Luft sei.
    Und jetzt muß er sich daran gewöhnen, daß ihn Blicke prüfen. Er muß lernen, die anderen als Spiegel zu benutzen, muß registrieren, wie seine Beziehungen zu ihnen funktionieren. Schade, er hat sich als Unsichtbarer wohl gefühlt. Es war einfacher.
    Regina muß ihn mitten in die Welt gestellt haben. Und da steht er jetzt und muß aufpassen, daß er nichts

Weitere Kostenlose Bücher