Einsam, zweisam, dreisam
fort, über ihn hin, als schmettere das Erdreich ihn in den Schlund der Hölle, kurz vor Anbruch der Nacht …
So schnell ist Sig in den Bann dieser Geschichte gezogen, daß er nicht einmal Zeit hat zu bemerken, wie anders Regina auf einmal ist. Ernst und von einer leisen Würde. Er hört zu.
Manchmal unterbricht sie das Lesen für einen Augenblick, um einen Schluck Wein zu trinken oder an ihrer Zigarette zu ziehen. Dann ist Stille. Sig unterbricht die Geschichte nicht. In einer solchen Pause denkt er erstaunt, ich werde sie nie kennenlernen. Ich soll sie nicht kennenlernen. Wann immer ein Schritt von mir ausgeht, annulliert sie ihn und ersetzt ihn durch einen eigenen. Ich muß den Vorsprung akzeptieren.
Während er das denkt, hat sie angefangen weiterzulesen, und er versäumt ein Stück der Geschichte. Obwohl ihn das ärgert, kann er nicht aufhören. Er wird nie eine Frage stellen wie «Wo bist du nächstes Jahr um diese Zeit», oder «Was tust du, wenn ich mehr von dir wissen will, als du verraten magst». Er wird sich auf ihr Konzept verlassen, obwohl er nicht weiß, für wann das Umblättern der letzten Seite – und wieviel Platz oder Regina für ihn darin vorgesehen ist.
Irgendwann ist er eingeschlafen. Es müssen Stunden vergangen sein. Regina hat sich so in das Buch gehen lassen, daß sie nicht weiß, wie lang sie schon ohne Zuhörer liest. Sie legt die Postkarte, die ihr als Lesezeichen dient, eine Ansicht von Les Beaux, auf Verdacht zehn Seiten zurück und legt das Buch in ihren Korb.
Leise steht sie auf und stellt den vollen Aschenbecher aufs Fensterbrett nach draußen. Das Fenster läßt sie einen Spalt weit offen und geht in die Dusche, um sich die Zähne zu putzen. Dann zieht sie sich bis zur Unterwäsche aus, löscht die Kerzen und legt sich vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, neben Sig. Er ist ganz angezogen, aber das macht nichts. Sie kuschelt sich an ihn und zieht die Decke über beide.
Irgendwann hört Sig ein Schnurren an seinem Ohr. Erstaunt stellt er fest, daß er angezogen ist. Regina liegt mit dem Rücken zu ihm, und die kleine Katze will gerade über ihn hinwegsteigen. Er rollt sich behutsam unter der Decke vor und schiebt das Kätzchen vor sich aus dem Bett.
«Ich hab Durst», sagt es.
«Nicht miauen, psst, sonst weckst du die schöne Frau auf.»
Die Katze reibt sich an der Milchtüte. Er schüttet ihr was in die Untertasse, die da noch steht. Sie hat es so schnell leer geschlabbert, daß er gleich wieder nachfüllt.
«Ganz schön nonverbal, wie wir beide kommunizieren», flüstert er.
«Bisen Kluger, was?» sagt die Katze. Es klingt wie ein Gurren. Sie stupst mit der Nase an Reginas Stirn und fragt: «Wer is’n die?»
«Nicht miauen», flüstert Sig beschwörend, «die hat mir der Himmel in mein Bett gelegt. Stör sie nicht, sonst muß ich vielleicht feststellen, daß sie nur Einbildung war.»
«Die ist aber echt», sagt die Katze.
«Sei doch leise», sagt Sig.
Die Katze requiriert die Kuhle im Kopfkissen, wo eben noch Sigs Kopflag, als Schlafplatz. Nur unwillig läßt sie sich von ihm nötigen, eine neue Wahl zu treffen. Als er sich wieder an Reginas Rücken kuschelt, nimmt sie mit der Stelle in seinen Kniekehlen vorlieb und schnurrt.
«Du bist ’ne nette Katze», murmelt Sig in Reginas Haar vergraben.
«Schlaf gut, großer Kommunikater», sagt die Katze.
Es klingt wie «Schnurr».
F assen wir zusammen», sagt Engel O’Rourke. Er sitzt mit seinem Freund Doppelkopf in der Logo Bar im Ostteil des christlichen Himmelskomplexes. Die Logo Bar ist ein bekannter Agententreff. Alles was schnüffelt, hängt hier rum. Für Doppelkopf ist es nur deshalb nicht gefährlich, so einfach mit einem CHIA -Mann zusammenzusitzen, weil er als Doppelagent bekannt ist und jede Seite meint, er spioniere gerade für sie, wenn er mit der anderen Seite Kontakt hat. Hier wimmelt es von Chem-Phys-Leuten.
Wäre Doppelkopf nicht sein bester Freund, O’Rourke würde ihm nicht trauen. Aber er kennt ihn schon so lange und hat es irgendwie im Gefühl, daß Doppelkopf in Wirklichkeit auf CHIA -Seite steht.
Der genießt die Situation. Die Chem-Phys-Agenten werfen ihm immer wieder verstohlene Blicke zu, in denen zu lesen ist, daß sie nicht wissen, ob er investigiert oder petzt.
«Gut, fassen wir zusammen», sagt er. «Du gehst also runter in dieses Kaff und versuchst die Deplazierten zu finden. Wie machst du das? Du brauchst ein Raster.»
«So weit war ich auch schon. Wie zieh ich das auf? Was sind
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