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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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entschärfen.
    Was sie heute nicht haben kann, hofft sie sich später zu erobern. Aus dieser Lust am Schönen erwuchs ihr auch im Laufe der Zeit die Fähigkeit zu genießen. Askese ist ihr so fremd wie Völlerei und Prüderie so absurd wie das Abhalten einer Orgie. Sie hat nicht das Gefühl, angestrengt für ein Maß sorgen zu müssen. Läßt einfach ein lusterlahmendes «Zuviel» weg und ein zu Lust nicht reichendes «Zuwenig» nicht zu.
    Sie hört sozusagen auf, wenn es am besten schmeckt, und fängt wieder an, wenn der Magen knurrt. Ganz einfach.
    Jetzt knurrt der Magen grade wieder. Auf dem Rückweg zieht sie Sig in den wuselnden Eingang vom Kaufhof. Er folgt ihr brav. Nur die Hand, an der sie ihn führt, zieht er unwillig aus ihrer, denn er hat, wie Katzen, eine Abneigung gegen aufgezwungene Bewegung. Manche Dinge muß er selber tun. Zum Beispiel gehen und stehen.
    «Ich komm schon», sagt er, da sie das Abschütteln ihrer Hand mit einem fragenden Blick quittiert.
    Sie landen in der Wäscheabteilung für Damen. Regina hängt sich zwei, drei schwarze Fähnchen über den Arm und läßt ihn einfach stehen. Sie verschwindet in Richtung der Umkleidekabinen. Sig fühlt sich unwohl.
    Wie gern würde er sich irgendwo anlehnen, um einen lässigen Eindruck auf mögliche Beobachterinnen zu machen, aber da ist nichts, was nicht sofort mit rauschendem Schwung umfiele. Vorsichtig schaut er sich um.
    Es gibt keine Beobachterinnen. Zwei Verkäuferinnen sortieren gelangweilt Bikinis, und eine Kundin stöbert in einem Berg Büstenhalter. Niemand nimmt Notiz.
    Trotzdem fühlt er sich wie ein ungehörig eingedrungener Sittenstrolch. In einer Damenabteilung haben Männer nichts zu suchen. Er weiß nicht, wo er hinschauen soll. Überall streift sein Blick Kompromittierendes. In der Hohlform eines Büstenhalters sieht man, sozusagen im Negativ, jede nur eben denkbare Brustform, in jeden Schlüpfer gehört ein Frauenschoß, die spitzenverzierten Hemdchen und Bodystockings sind gedacht für die müden oder gierigen Blicke eines Ehemannes oder Liebhabers, nicht die eines Fremden … Nur die Bademäntel und Morgenröcke sind angenehm unfrivol in ihrer majestätischen Länge.
    Sig war noch nie an einem FKK -Strand. An den Baggerseen, an denen manche auch nackt herumhüpfen, hatte er sich immer unwohl gefühlt, weil er die Nacktheit weiblicher Körper, ob schön oder nicht, als erotisierend empfindet. Hier, wo alles auf Nacktheit hinweist, die Körper quasi spiegelbildlich vorgeführt werden, meint er, man müsse ihm die Gedanken an der Nasenspitze ansehen und ihn davonjagen wie einen Spanner mit Fernglas.
    Es interessiert aber niemanden, ob hier ein Mann steht. Es ist völlig egal. Trotzdem ist er erleichtert, als Regina ihn ruft. Die Erleichterung verschwindet allerdings sofort wieder, als er bemerkt, daß er beim Gehen fast umfällt. So unsicher fühlen sich seine eigenen Schritte an.
    Er weiß nicht, in welcher Kabine er sie finden soll. Als er an lauter offenstehenden vorbeigegangen ist, um eine Ecke gebogen und ihren Namen gerufen hat, winkt sie aus dem letzten Abteil. Von hier aus ist der Verkaufsraum nicht mehr zu sehen.
    Sie zieht den Vorhang auf.
    Aus dem kleinen Kleiderberg, der neben ihr auf einem Bänkchen liegt, schließt er, daß sie nackt sein muß unter dem Seidenunterkleid, das sie trägt.
    «Gefällt es dir?»
    «Sehr.»
    Er macht schüchterne Stielaugen.
    «Dann komm», sagt sie und legt eine Hand auf seine Brust. Die andere streicht, Fläche zu ihm, über seine Hose. Er hat Angst.
    «Unmöglich», flüstert er, «die Verkäuferin wartet doch auf uns.»
    «Die ist weit weg. Vielleicht weiß sie nicht mal, daß wir hier sind.»
    Sie löst seinen Gürtel. Er glaubt, durch Jacke, Hemd und Unterhemd hindurch die Spitzen ihrer Brüste zu spüren.
    «Nein», sagt er gelähmt vor Schreck, «ich kann nicht. Ich hab zuviel Angst.»
    «Wirklich nicht?»
    «Wirklich nicht.»
    «Warte draußen auf mich.»
    Er schließt seinen Gürtel und verläßt die Kabine fluchtartig. Erst als er sich an einen Ständer mit Hausmänteln stellt und so tut, als blättere er suchend darin herum, wird ihm wieder etwas wohler.
    Niemand sieht her, und trotzdem fühlt er sich beobachtet. Vielleicht haben die auch hinten Augen.
    Ihm ist schlecht.
    Und zwar vor Schreck über die Absage, die er Regina eben erteilt hat. Er hat sie stehen lassen und ist geflohen. Hat sie stehenlassen in einer Haltung, die nur Begierde erträgt, keinesfalls Ablehnung. Er ist

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