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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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herumklettern, sich mit den Brüdern prügeln, sogar in ihren Schwanz durfte man beißen. Aber irgendwann war sie weg. So sind wir Katzen eben, denkt die Katze und schläft ein.
    Am Morgen regnet es noch immer. Regina steht auf, um das Fenster zu schließen, und gibt der Katze Milch und Futter. Die streicht ihr schnurrend um die Beine und gibt dann ein Schlabber-und Knackskonzert, zu dem Regina wieder einschläft.
    Der Regen hat noch nicht aufgehört, als Sig aufwacht. Behutsam schiebt er ihre Hand von seiner Brust und schiebt sich, ohne sie zu wecken, unter der Decke vor. «Guten Morgen, Frau Müller», sagt er leise. Die Katze liegt wieder auf dem Kissen. Zum Gegengruß zuckt sie mit einem Ohr und streckt sich noch mehr in die Länge. Ein enttäuschter Blick aus dem Fenster genügt Sig, um zu entscheiden, daß es heute keine frischen Brötchen geben wird.
    Er putzt sich die Zähne, fährt mit der Hand durch die Haare und wäscht sich mit nassem Finger den Schlaf aus den Augen. Katzenwäsche hieß das zu Hause. Er deckt den Tisch fürs Frühstück. Als das Kaffeewasser durch die Maschine blubbert, wacht Regina auf.
    «Mmmmmh», sagt sie und streckt sich unter der Decke. Die Katze macht einen Buckel, gähnt und streckt sich ebenfalls.
    «Meine Familie wacht auf.»
    Sig ist sich des Glücks, das er empfindet, bewußt. So deutlich und als schönes Geräusch hat er noch nie das Geschmurgel von Speck in der Pfanne gehört.
    Ohne sich anzuziehen, nur mit der Decke um die Schultern, setzt sich Regina an den Tisch. «Sauwetter», sagt sie, «ich geh da nicht raus.»
    «Bleib hier. Du hast Asyl.»
    Die Katze rollt sich auf dem warmen Platz, den Regina hinterlassen hat, ein.
    Nicht mal der Regen treibt Besucher in die Galerie. Den ganzen Vormittag über bleiben sie ungestört. Während Sig mit großer Konzentration ein leuchtendes Kornblumenblau in feinen Strichen und Mustern in ein Bild fügt, duscht Regina ausführlich. Sie sieht bezaubernd aus mit nassem Haar. Später streckt sie ihm den Walkman entgegen und sagt: «Gib mir die Musik, die du gehört hast, als ich dich im Zug getroffen hab.»
    Er sucht die Pekka Pohjola-Kassette aus seiner kleinen Sammlung heraus und legt sie ein. Regina läßt sich in den Sessel plumpsen und wirft die Beine über die Lehne.
    «Schön», sagt sie irgendwann und schließt die Augen. Das Sirren aus den Kopfhörern und das gelegentliche Klappern eines Pinsels am Glasrand sind die einzigen Geräusche, die jetzt zu hören sind. Mir gefällt, denkt Sig, daß sie einfach Musik hört. Das ist nicht mehr modern. Musik läuft nebenher, als Soundtrack zum Leben, aber man hört sie nicht mehr extra an. Außer Regina, die macht so was.
    Irgendwann hört es auf zu regnen. Regina hat die Kassette zu Ende gehört und schaut auf die Uhr. Es ist gleich eins.
    «Mittagspause», sagt sie, «ich lade dich zu einer Pizza ein.»
    Er legt den Pinsel beiseite und betrachtet seine Arbeit. «Bist du eigentlich reich? Du lädst mich dauernd ein.»
    «Ich verschleudere ein kleines Vermögen. Etwa fünftausend Mark. Aber ganz langsam.»
    «Du haust es pizzaweise raus?»
    Sie lacht: «Pizzaweise. Komm jetzt, ich hab Hunger.»
    Er gibt zu bedenken, daß man ja auch in der Mensa essen könne, wozu sei man schließlich in einer Universitätsstadt, aber sie schüttelt den Kopf: «Es gibt Leber.»
    «Cadmium?» fragt Sig.
    «Blei, Chlorkohlenwasserstoff, Zink, Dioxin und DDT », sagt sie.
    «Hast du Chemie im Nebenfach?»
    «Gut wär’s schon.»
    Sie teilen sich eine Pizza, denn Sig traut sich keine ganze zu. Als Regina danach zwei Espresso bestellt, sagt er: «Espressoweise haut sie ihrer Oma ihr klein Häuschen auf den Kopf.»
    Sie lacht: «Jetzt zügle doch mal den strengen Schwaben in dir.»
    «Der ischt nicht zum Zügeln», sagt er im besten Lothar-Späth-Honoratiorenschwäbisch, dessen er mächtig ist.
    Sie schüttelt sich: «Nein! Red nicht so. Das Schaffnerhafte steht dir nicht.»
    «Meinst du.»
    «Weiß ich.»
    Er hat das Gefühl, ihr erklären zu müssen, daß er wirklich sparsam ist. Er dreht jede Mark um. Stolz ist er nicht auf diesen Charakterzug, aber schämen mag er sich auch nicht dafür.
    Regina nimmt seine Anspruchslosigkeit hin, obwohl sie selbst eine Sammlerin ist. Sparsam eher aus Vernunft denn aus Gewohnheit, beschränkt sie sich auf Erschwingliches, gibt sich mit dem lang gesuchten oder schwer erarbeiteten geringsten Übel zufrieden, ohne allerdings den Blick für das wirklich Schöne zu

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