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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Fotokopien, das sie unter dem Arm trug, und dann den Koffer auf den Rücksitz. Den anderen nimmt sie Sig aus der Hand und verstaut ihn im Kofferraum.
    «In welchem sind deine Malsachen?»
    Er deutet auf den Rücksitz. Der Koffer riecht ein bißchen streng, aber der Fleck ist schon nicht mehr zu sehen.
    «Der kann in die Gepäckaufbewahrung», sagt er.
    Regina stellt den Wagen auf die Bushaltestelle am Bahnhof.
    «Ich warte», sagt sie und schaltet den Motor ab. Er nimmt den Koffer vom Rücksitz, und erst jetzt bemerkt er den braunen Umschlag, auf dem sein Name steht.
    Sie wollte ihn also gar nicht sehen. Wollte nur die Fortsetzung hinterlassen. Ein Glück, daß ihm der Rohrbruch zu Hilfe kam. Sogar Breinling-Beckenrath kann sich freuen, denkt er, so viele Bilder wie heute hat er in seinem Leben noch nicht verkauft. Eben an die Versicherung. Wenn er schlau ist, vernichtet er die Preisliste und schreibt eine neue mit doppelten Preisen, bevor der Gutachter kommt.
    Mit dem Zettel von der Gepäckaufbewahrung winkend, kommt er zum Wagen zurück. Er steigt ein und schnallt sich an.
    «Also England?»
    «Ja.»
    «Und wann?»
    «Jetzt», sagt sie, startet den Wagen und fädelt sich in den langsam dichter werdenden und morgendlichen Stoßverkehr. «Wir sind schon unterwegs.»
    Sie kann ihm Geld leihen, sagt sie, viel werden sie eh nicht brauchen. Er kann es ihr zurückgeben, wenn sie wieder da sind.
    Auf der Autobahn Richtung Karlsruhe reden sie nichts. Sig gibt sich ganz dem Gefühl hin, sie wieder zu haben. Er staunt, kann noch nicht ganz glauben, wirklich auf dem Weg nach England zu sein, und läßt sich wohlig in den überraschenden Zustand fallen.
    Der deutsche Zollbeamte fordert sie auf auszusteigen und alle Gepäckstücke zu öffnen. Das liegt am Auto. Drogendealer, Verbrecherringe und Terroristen bevorzugen offenbar alte, gammelige Schrottmühlen für ihre heiklen Transporte.
    Sigs spöttische Laune verwandelt sich sofort in Wut, als der Beamte, anstatt Regina darum zu bitten, mit seinen eigenen Büttelfingern in ihrer Wäsche herumgrapscht.
    «Laß», flüstert sie ihm ins Ohr, und er beherrscht sich. Gedankenlesen kann sie also immer noch.
    «Gute Fahrt», wünscht der Beamte mit dem indifferenten Gesichtsausdruck des wichtigen Mannes, und sie fahren die dreihundert Meter bis zur französischen Seite.
    «Ou allez vous?»
    «A’l angleterre.»
    «E voilà. Bon voyage.»
    «Man könnte frankophil werden», sagt Sig.
    «Langsam», sagt Regina, «wer weiß, ob er sich das mit der Wäsche nicht einfach für die nächstschönere Frau aufhebt?»
    «Da kann er alt drüber werden.»
    «Das hast du nett gesagt.»
    Sie frühstücken in Straßburg.
    «Wenn schon, dann richtig», sagte Regina und lehnte drei hübsche Strafencafés wegen mangelnden Münsterblicks ab.
    Sig streicht sich über die unrasierten Wangen. Er fühlt sich unausgeschlafen und schmuddlig.
    «Ich muß aussehen, als hättest du mich wo geklaut», sagt er. «Hab ich ja.» Sie küßt ihn auf die stachelige linke Seite. «Ich hätte es bestimmt nicht ausgehalten ohne dich.»
    «Bin froh, daß du es nicht probierst.»
    «Ich auch.»
    So wie er jetzt auf die Serviette und den Rest des Crépe au Dambon starrt, muß er von dort Aufschluß über wichtige Dinge erwarten.
    «Es tut mir leid», sagt er und hofft, sie würde gleich wissen, wovon er spricht, damit er nicht die Szene im Kaufhaus erwähnen muß. Dafür hat er keine Worte. Er wüßte nicht, was er sagen soll.
    «Nicht drüber reden», sagt sie, «ist vorbei.»
    Er ruft «Payez s’il vous plait» und nimmt ihre Geldbörse zur Hand. «Ab nach Angleterre.»
    Es geht ihm immer so, wenn er die deutsche Grenze ins Ausland passiert. Er fühlt sich befreit, als wäre er den Eltern abgehauen und dürfe endlich tun und lassen, was er will. Auf den langen, geraden Alleen Frankreichs erreicht ihn ein innerer Jubel, den er aus solchen Momenten kennt. Schön ist es, vom selben Katapult geschossen zu sein wie Regina, zur selben Zeit dieselben Dinge zu sehen wie sie, in Bewegung zu sein, in dieselbe Richtung zu fahren …
    Nach einiger Zeit wird er müde. Die immer gleichen Alleen machen ihn dämmerig. Immer wieder muß er die Lider gewaltsam hochreißen, um Regina nicht allein zu lassen.
    «Schlaf ruhig», sagt sie. «Ich kann ewig so fahren.»

M ann O’Mann, denkt O’Rourke beim Aufwachen. Ich leb doch wie die Made im Speck. Sämtliche Knochen tun ihm weh.
    Das Hammergirl ist weg, hat aber eine Telefonnummer

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