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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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Augenblick allerdings gar nicht sehr zu.
    Diesen Taxifahrer muß man irgendwie drankriegen können.
    Vielleicht macht die CHIA ja exemplarische Einzeluntersuchungen. Dann müßte sie ihn in O’Rourkes Akten an eine exponierte Stelle schmuggeln. Wenn er überhaupt darin auftaucht.
    Aus irgendeinem Grund macht ihr der Gedanke Spaß, diesen Schnösel reinzureiten. Der soll drankommen. Der Schleimer hat sich doch tatsächlich Chancen auf sie ausgerechnet. Die Idee, ihn in die Bredouille kommen zu sehen, gefallt ihr.
    Nur so.
    Der Typ ist ’n Arsch.
    Sie kann ja Kontakt zu ihm halten und sehen, ob er sich irgendwo einbauen läßt. Vielleicht ist das auch eine Möglichkeit, länger auf der Erde zu bleiben. Gute Idee.
    «Rufen Sie mir bitte ein Taxi», sagt sie zum Barkeeper des Pools. «Ich bin in zehn Minuten an der Rezeption. Ach ja, noch was: Ich hätte gern Wagen neunzehn.»

V ielleicht, weil er das Vibrieren des fahrenden Wagens nicht mehr spürt, wacht Sig auf. Zuerst weiß er überhaupt nicht, wo er sich befindet. Aber dann erkennt er den Mercedes und erinnert sich wieder.
    Regina sitzt nicht hinterm Steuer.
    Die Fahrertür ist offen. Er sieht ihren Kopf neben dem Sitz.
    «Was machst du?»
    «Oh, guten Morgen. Wir sind schon hinter Nancy», sagt sie gut gelaunt.
    «Pinkelst du?»
    «Ja.»
    «Die können dich doch sehen.»
    «Bloß meinen Hintern.»
    Bloß? Sie scheint den Stellenwert nicht besonders hoch einzuschätzen.
    «Die wissen doch gar nicht, daß ich das bin», sagt sie.
    Schon drei Autos fuhren hupend vorbei, aus einem drang das Johlen mehrerer Männerstimmen. Sie steht auf und zieht die Jeans hoch. Das blecherne Hupen, das jetzt ertönt, muß von einem Laster stammen. Es ist lauter als die anderen.
    Sie macht die französische Fick-dich-selbst-Gebärde, reißt eine Hand nach oben und schlägt mit der anderen auf den abgeknickten Oberarm, und ein weiteres, schon etwas entferntes Hupen ist die Antwort Sie steigt ein, schließt die Tür und schnallt sich an.
    «Wir sind bald in Paris. Vielleicht noch zwei Stunden. Da suchen wir uns was zum Schlafen und gehen essen. Wie findest du das?»
    «Toll», sagt Sig.
    «Ich mag nicht mehr fahren. Mir reicht’s.»
    «Soll ich?»
    «Ja.»
    «Das war ein Scherz. Ich kann gar nicht Auto fahren.»
    «Was? Du kannst nicht Auto fahren?»
    «So ist es.»
    «Du bist ein Fossil oder so was. Solche wie dich gibt’s doch gar nicht mehr.»
    Damit trifft sie den Nagel auf den Kopf.
    Kurz vor vier fahren sie schon durch die häßlichen Betonschluchten der Pariser Vorstadt. Man möchte kaum glauben, daß diese scheußliche Ansammlung von architektonischen Vergewaltigungsversuchen zur Stadt der Kunst und der Liebe gehören soll. Regina läßt sich treiben. Irgendwann biegt sie vom Stadtring ab. Sie glaubt nah genug am Zentrum zu sein, denn die Häuser sind jetzt groß und alt, man sieht Bäume, und die Hinweisschilder tragen bekannte Namen. Sie sieht ein Hotelschild und hält an.
    «Rue de Grenelle», liest Sig. Das muß schon das richtige Paris sein. Das Hotel ist billig, alt und düster. Regina findet, es sehe nach Henry Miller-Geschichten aus.
    «So was liest du?» fragt Sig.
    Sie lacht: «Hältst du mich für eine Autodidaktin?»
    Die Antwort gibt ihm einen Stich, tut richtig weh.
    «Das mußte nicht sein», sagte er.
    Sie sieht, daß sie ihn getroffen hat, versteht aber nicht so recht, wieso. Trotzdem sagt sie tröstend:
    «Das war nur so hingesagt. Ich wollte dir nicht weh tun.»
    Vor dem Bett steht ein riesiger alter Schrank, von dessen vier verspiegelten Türen eine blind ist. Ein kleines Nebengelaß enthält eine Sitzbadewanne, ein Bidet und ein Waschbecken. Am Fenster steht ein einsamer wackliger Stuhl.
    «Schön», sagt Regina.
    «Hunger», sagt Sig.
    Endlich kann er sich die Zähne putzen und ein paar Händevoll Wasser ins Gesicht werfen. Das Rasieren verschiebt er noch mal. Regina zieht ein schwarzes Kleid an und wirft sich ein Cape über die Schultern.
    «Schön», sagt er.
    Vor dem Spiegel probiert sie ein schwarzes Barrett, wirft es aber gleich wieder in den Koffer zurück. «Zu perfekt», sagt sie.
    Beim Hinausgehen stößt sie mit dem Zeh an einen Bettpfosten. «Aua, Scheiße, aua!» schreit sie.
    Sie muß mit schmerzverzerrtem Gesicht lachen.
    «Du mußt Merde schreien», sagt Sig.
    «Ja, ja und aiii statt aua. Ich weiß.»
    Sie humpelt schon nicht mehr. Er geht vor ihr die Treppe hinab. Dem schönen, aber gebrechlich wirkenden Fahrstuhl wollen sie sich nicht

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