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Einsam, zweisam, dreisam

Einsam, zweisam, dreisam

Titel: Einsam, zweisam, dreisam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thommie Bayer
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hinterlassen. Gerade schiebt er den Zettel mit einem Gefühl der Hochachtung in das dritte Kreditkartenfach seiner Brieftasche. Beim Zimmerservice bestellt er sich einen Eiersalat, einen Selleriesalat, sieben Rollmöpse, Orangensaft, Aspirin, eine Kanne Kaffee und zwei Brötchen. Von soviel Action erschöpft, wirft er sich gleich wieder aufs Bett.
    Diskret übersieht der Zimmerkellner die immense Unordnung, obwohl die eigentlich schon den Tatbestand eines meldepflichtigen architektonischen Eingriffs erfüllt. Um das Tablett überhaupt auf dem Tisch plazieren zu können, muß er eine Krawatte, ein umgefallenes Whiskyglas, eine leere Marlboroschachtel und etwas, das wie ein toter Lippenstift aussieht, beiseite schieben. Diese Amis, denkt er und verschwindet wieder.
    Erst eine halbe Stunde später in der Badewanne fällt Dean ein, daß er eine Verabredung mit seinen Meinungsumfragern hat. Er sieht auf die Uhr, erschrickt und will gerade aus der Wanne schießen, da überfällt ihn eine heilige Ruhe. Mach langsam, Alter, sagt eine innere Stimme, kein Problem, Alter, so schön hast du’s schon lange nicht mehr gehabt, nimm’s leicht. Die innere Stimme spricht gälisch mit ein paar amerikanischen Brocken, deshalb glaubt er ihr und gehorcht. Er läßt sich in das wohlig warme Wasser zurücksinken und versucht, an gestern zu denken.
    Was hat die nicht alles mit ihm angestellt: oben, unten, zwischen, vorn, neben, hinten, außen, innen … Er wußte gar nicht, daß man so viele Körperteile hat und derart fröhlichen Unsinn mit ihnen anstellen kann. Es war toll.
    «Heaven can wait» summt er vor sich hin. Das muß ein Schlager sein, den man auch im Himmel hört, sonst könnte er ihn ja nicht kennen. Er läßt die Seife durch die Hände glitschen und fischt sie immer wieder unter sich vor, als spiele er mit ihr Ausreißer und Polizei.
    Ein Hammergirl.
    Inzwischen fühlt er sich, als hätten all diese durcheinandergewirbelten Einzelteile seines Körpers sich verabredet, noch einen Tag lang in der alten Formation mitzuspielen, und steigt aus der Wanne. Er trocknet sich ab, zieht sich an und geht unrasiert in die Halle hinunter.
    Dort versucht ein indignierter Hotelangestellter ein Dutzend mehr oder weniger schlampig angezogener junger Menschen in die dunkelste Ecke der Lobby zu bugsieren. Ein anderer telefoniert aufgeregt mit dem Geschäftsführer, der sich anscheinend auf keine klare Direktive, was diese unpassenden Leute betrifft, festlegen will.
    Gutgelaunt, als wäre das die normalste Sache der Welt für ihn, klatscht O’Rourke in die Hände und sagt mit lauter Stimme: «Sind Sie wegen der Anzeige hier?»
    Aus dem Pulk murmelt es zustimmend und ein bißchen aufmüpfig, der Herr hier habe das nicht glauben wollen.
    «Das geht in Ordnung», sagt O’Rourke und gibt dem schweißgebadeten Hotelangestellten einen Zehner. «Gehn wir ins Frühstückszimmer, ich lade sie alle zu einem Kaffee ein.»
    «Tee», sagt ein Mädchen, senkt aber gleich den Blick vor seiner imposanten Erscheinung.
    «Auch Tee», sagt er väterlich und schiebt die ganze Bande nach nebenan.
    «Ladies und Gentlemen, ich darf mich zuerst einmal vorstellen. Mein Name ist O’Rourke, und ich bin Professor für Deutsch an der Hoboken High School. Ich habe für einen Freund, der in den Staaten eine Arbeit schreibt, die Aufgabe übernommen, einige soziologische Daten zu erheben. Es geht dabei um einen Querschnitt von Lebensstilen in dieser Stadt. Entschuldigen Sie mich einen Augenblick bitte …»
    Die Leute bestellten sich Tee und Kaffee, Bier und Orangensaft, während er den Hotelangestellten zur Seite zieht, einen Fünfhundertmarkschein in seine Hand drückt und ihn bittet, die Fragebögen bei der Druckerei abzuholen. Dann setzt er seine Ansprache fort:
    «… Es geht um eine literarische Arbeit. Mein Freund sucht Anhaltspunkte für eine bestimmte Theorie. Sie brauchen nicht eine bestimmte Gegend abzuklappern oder einen genau definierten Personenkreis zu befragen. Befragen Sie einfach so viele Leute wie möglich.
    Für jede Person müssen zwei Bögen ausgefüllt werden. Auf dein einen notieren Sie bitte Name, Geburtsdatum, Familienstand und Beruf, auf dem anderen kreuzt die Person die Frage zum Lebensstil an. Die Bögen sortieren Sie bitte getrennt, aber in derselben Reihenfolge ein. Nach der Auswertung werfen wir die Bögen mit den Namen weg, wir brauchen sie nur, um festzustellen, ob nicht Personen doppelt befragt wurden oder ob manche von Ihnen, meine Damen

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