Einsame Klasse.
Fotograf, Werbe- und Industriefotos. Spezialisiert auf Porträtaufnahmen. Ich klopfte; nichts passierte. Ich drückte auf die Klinke; verschlossen. Meine Hauptschlüsselsammlung hatte ich nicht mitgenommen, aber ich trug ein Werkzeug in der Innentasche bei mir, das ich vor einiger Zeit einem Safe- und Einbruchsexperten abgenommen hatte. Es sah ein bisschen so aus wie die Zahnarztinstrumente, mit denen diese Techniker einem in den Zähnen herumkratzen. Nur, dass die Nadelspitze länger war. Ich führte die Spitze in den Türspalt und drehte sie so, dass sie Druck auf die Schlosszunge ausübte. Es war ein Schnappschloss, das sofort nachgab. Ich war drin. Ich machte die Tür hinter mir zu und blickte mich um.
Es sah aus wie die Art Büro, in der ich mein halbes Leben verbracht hatte. Ein alter Rolltürenschreibtisch, ein wackliger Drehstuhl mit einem abgenutzten Kissen auf der Sitzfläche, ein Aktenschrank aus Eiche und an einer der Wände ein großer weißer, an der Wand befestigter Papierbogen sowie ein Haufen Kameras auf Stativen und einige davor aufgereihte Fotoleuchten. Ich sah mir die Kameras an. Auf einem der Stative war eine Rolleiflex, auf dem anderen eine 35-Millimeter-Leica befestigt. Das Tageslicht fiel durch ein schmutziges, mit feinmaschigem Draht bedecktes Oberlicht in den Raum. Auf dem Schreibtisch befanden sich ein Telefon, ein Onyx-Füller und ein Bleistiftset.
Ich ging um den Tisch herum und setzte mich in den Drehstuhl. Es musste natürlich nicht dieses Haus sein. Valentine konnte seinen Wagen hier abgestellt haben und dann den Hollywood Boulevard hinaufgegangen sein, um nach Filmstars Ausschau zu halten. Oder runter zum Sunset, in der Hoffnung, etwas Aufregendes zu sehen. Oder er konnte im Taxi nach Bakersfield gefahren sein, wo er annähernd gleich gute Chancen hatte, beides zu finden.
Trotzdem war der Wagen vor diesem Gebäude abgestellt worden, und es gab einen Fotografen mit den gleichen Initialen. Ich untersuchte den Schreibtisch. Auf der Schreibplatte stand das Foto einer hübschen schwarzhaarigen, ungefähr fünfundzwanzigjährigen Frau mit großen dunklen Augen. Die meisten der Fächer waren mit größtenteils unbezahlten Rechnungen vollgestopft, darunter drei weitere Strafzettel. In der mittleren Schublade befand sich eine Straßenkarte von L. A. und Umgebung, in der linken unteren lagen Telefonbücher von L. A., in der rechten unteren eine Flasche billiger Scotch, die jemand um ungefähr einen Zehntelliter erleichtert hatte. Ich stand auf und ging hinüber zum Aktenschrank. Die oberste Schublade enthielt eine Autoversicherungspolice, eine ungeöffnete Flasche des gleichen Scotch, eine Rolle Pappbecher und einen großen braunen Umschlag, der am oberen Ende mit einer kleinen Metallklammer verschlossen war. Ich öffnete den Umschlag. Er enthielt eine Sammlung von 13 x 18 Zentimeter großen Hochglanzfotos von Frauen, die eine ganze Reihe von teilweise schon sehr alten Kunststückchen hinlegten. Die beiden anderen Schubladen waren leer.
Ich nahm den großen Umschlag mit zum Schreibtisch, setzte mich wieder hin und begann das, was ich in der Hand hielt, etwas sorgfältiger zu begutachten. Es war größtenteils Pornographie, in ziemlich guter Qualität, vermutlich teilweise vor dem sehr weißen Hintergrund geschossen, der rechts von mir hing. Es war schon einige Zeit her, dass Bilder von kopulierenden Menschen meine Libido stimuliert hatten, und dieses Zeug änderte auch nichts daran. Selbst wenn es stimulierend gewesen wäre, hätte die schlichte Menge an dargestellter, übertriebener Ungezügeltheit jede Form von Geilheit im Keim erstickt.
Die Bilder waren nicht nur ausgesprochen gut belichtet und gestochen scharf, sie zeigten auch durchgehend attraktive Modelle. Zweifellos Schauspielerinnen, die nach Hollywood kamen, um umgehend zu Stars oder Starlets zu werden, und auf die richtige Rolle warteten. Die Männer auf den Bildern waren nicht mehr als Requisiten für die Frauen, verschwommen, in der Regel gesichtslos und nicht auffälliger als die Lampe im Hintergrund oder der nackte Metallpfosten der Bettcouch, auf der die Veranstaltung stattfand.
Ich blätterte die Bilder durch und blieb an einem hängen. Da lag, zwar jünger, aber genauso nackt wie vor wenigen Tagen, Sondra Lee und posierte allein, aufreizend, mit dem gleichen abwesenden Lächeln. Ich zog das Foto aus dem Bündel, rollte es zusammen, umwickelte es mit einem Gummiband und ließ es in die Innentasche meines Mantels gleiten.
Weitere Kostenlose Bücher