Einsame Spur (German Edition)
konnten zwei zerbrochene Seelen ja etwas Ganzes zustande bringen. »Ja«, sagte er und wartete, der Wolf zitterte vor Anspannung, denn ihm war plötzlich klargeworden, wie wichtig Adria ihm war. Sein Blick fiel auf das Bissmal auf ihrem Nacken, er würde sicher nicht brav verschwinden, wenn sie Nein sagte.
»Ja.«
Ihre Antwort holte den Wolf heraus. Riaz wehrte sich nicht gegen die Verwandlung, denn die Entscheidung kam sowohl von dem Wolf als auch dem Mann. Als das Tier sich auf der Decke niederließ, kniete eine wunderbare Frau mit großen tiefvioletten Augen und zerzaustem Haar ganz nah neben ihm. Kurz darauf explodierten Farben wie ein Regenbogen … und verwandelten sich in eine zartgliedrige Wölfin mit silbernem Fell und einem weißen Streifen auf dem Schwanz.
Sie schüttelte sich, als wollte sie sich in der neuen Haut zurechtrütteln, und legte sich dann neben ihn, den Kopf auf den Pfoten. Sie war nur halb so groß wie er. Er drückte sie gegen das Bettgestell. Knurrend fuhr sie die Krallen aus. Er biss sie zart ins Ohr.
Bernsteinfarbene Augen blitzten warnend auf, und sein Wolf drängte sich mit der Leidenschaft des Raubtiers an sie. Sie war nicht diejenige, die sein Herz in der vom Wasser umgebenen Stadt zum Singen gebracht hatte, doch sie war Freundin und Geliebte und trug seine Witterung. Der Wolf vertraute ihr in allen Dingen und würde sie nicht gehen lassen.
Spät in der Nacht und weit über die Zeit hinaus, zu der ein Siebeneinhalbjähriger zu Bett gehen sollte, saßen William und Judd auf einem umgestürzten Baumstamm in dem Waldstück hinter dem Haus, das die Familie des Jungen an der Grenze zwischen den Revieren der Wölfe und der Leoparden erworben hatte. Judd musste seine Anwesenheit nicht mehr verbergen, seine Tarnung war aufgeflogen, doch er sorgte weiterhin dafür, dass seine Besuche bei William unbemerkt blieben – denn sobald man den verletzlichen Jungen mit ihm in Verbindung brachte, würde dieser ein Ziel von Angriffen werden. Es gab Mediale und auch genug Leute aus anderen Gattungen, die nicht zögern würden, aus William eine tödliche Waffe zu machen.
Wie Judd war der Junge eine TK -Zelle. Er konnte buchstäblich Körperzellen verschieben – zum Beispiel ein Herz zum Stillstand bringen und es wie einen Infarkt aussehen lassen. Judd hatte dem Jungen die hässliche Wahrheit eröffnen müssen, weil dieser unabsichtlich das Haustier der Familie getötet hatte und weil William jeden Aspekt seiner Fähigkeiten kennen musste, um Selbstkontrolle ausüben zu können. Doch die praktische Ausbildung verlief in eine ganz andere Richtung.
Judd zerzauste das weiche braune Haar des Jungen. »Schlimmer Haarschnitt.« Es sah aus, als hätte jemand dem Jungen einen Topf aufgesetzt und am Rand entlanggeschnitten. Noch dazu unregelmäßig.
William stützte die Ellenbogen auf den Knien auf und barg das Gesicht in den Händen. »Es war Mom.« Reine Verzweiflung. »Sie sagt, dass es sich schon wieder auswachsen wird, aber ich muss doch zur Schule gehen!«
Mit genügend Zeit und Mühe konnte William lernen, auch die eigenen Zellen zu verändern – doch das war selbst für Judd ein schwieriges Unterfangen, und er war viel kräftiger als William. »Erzähl einfach allen, es sei eine Mutprobe gewesen«, schlug er als einfachste Lösung vor.
Der Junge lächelte. »Das ist eine gute Idee.« Sein Blick wanderte zur Innentasche von Judds Kunstlederjackett, die man sehen konnte, weil Judd sich vorgebeugt hatte. »Ich mag Schokolade gern.«
Judd zog den Riegel heraus, den er auf dem Weg eingesteckt hatte. »Er gehört dir, wenn du mir zeigen kannst, ob du die Technik beherrschst, die ich dir letztes Mal gezeigt habe.«
»Ist das ein Test?«
»Ja.« Manche hätten vielleicht gesagt, der Junge sei zu jung für so etwas, doch die Leute wussten nicht, wie verheerend ein Ausfall geistiger Kontrolle sich auswirken konnte. Der Tod des Haustiers hätte William fast zerstört. Was würde erst geschehen, wenn er das Herz seiner Mutter am Schlagen hinderte oder einen Schlaganfall bei seinem Vater auslöste?
Nein. Lieber war Judd ein harter Lehrer – obwohl er natürlich den Jungen nicht so brutal behandelte, wie man mit ihm als Kind umgegangen war, bis man ihn schließlich gebrochen und zu einem Auftragskiller gemacht hatte. Daher gab es den von Ben vorgeschlagenen Schokoladenriegel als Belohnung. Ben war Judds persönlicher Berater für alle Bereiche in der Behandlung kleiner Kinder.
»Okay«, sagte William
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