Einsame Spur (German Edition)
Venedig bist«, sagte Vasic leise.
Judd hatte nichts anderes erwartet. Denn etwas galt für jeden Pfeilgardisten, den er kannte – mit Ausnahme von Ming, und der war in Wirklichkeit nie einer von ihnen gewesen –, sie waren unbedingt loyal. Manchmal wurde ihre Loyalität in die falsche Richtung geleitet und jenen entgegengebracht, die sie nicht verdienten, aber die Gardisten waren nie falsch und nie käuflich. »Seid ihr mir aus einem bestimmten Grund gefolgt?«
»Wir tun nie etwas ohne Grund.« Aden hob eine Eichel auf und betrachtete sie genau. »Weißt du etwas über die anderen, in Venedig?«
»Nein.« Er hatte nie auch nur den leisesten Hinweis über weitere abtrünnige Gardisten erhalten.
»Sehr gut. Dann waren unsere Bemühungen erfolgreich.« Der Arzt der Garde legte die Eichel wieder auf den Boden.
»Wie viele sind es?«
»Ein kleiner Prozentsatz derjenigen, die während der letzten zehn Jahre im Zuge von Operationen getötet wurden.«
»Wie das?« Alle toten Gardisten wurden zurückgebracht, damit ein nicht der Garde zugehöriger Pathologe den Tod bestätigte.
»Bereits für Beerdigungen freigegebene Leichen wurden aus den Leichenhallen entführt. Passend in Größe und Gewicht zu den Gardisten, die abtrünnig werden wollten. Die Leichen nahmen dann deren Stelle bei sorgfältig geplanten Aktionen ein, bei denen die Körper so verstümmelt wurden, dass selbst DNA -Untersuchungen nichts ergaben. In der Regel waren es Explosionen oder große Brände.«
»Ziemlich riskant.« Die ganze Sache konnte auffliegen, wenn ein gewissenhafter Mediziner die Ergebnisse noch einmal überprüfte, bevor der Tote eingeäschert war.
»Stimmt, aber bei der vorherigen Generation der DNA -Scanner gut machbar«, sagte Aden, was ein Hinweis auf die lange Planung des Ganzen war. »Heute geht das nicht mehr. Deshalb schleusen wir die meisten Abtrünnigen jetzt über eine Einrichtung in den Dinariden.«
Das Gespenst hatte diese Einrichtung Judd gegenüber im Zusammenhang mit Gardisten erwähnt, bei denen man Jax abgesetzt hatte.
Vasic schaltete sich ein. »Ming hat Aden angewiesen, dort Gardisten von Jax zu entwöhnen, um zu sehen, ob sie sich wieder stabilisierten – ein paar Wochen danach erteilte er den Befehl, keinen von ihnen am Leben zu lassen.«
Denn Ming wollte nur perfekte Soldaten. Für ihn war ein Mann nutzlos, den Risse in der Konditionierung angreifbar gemacht hatten.
»Er stellte Leute ein, die nicht zu Garde gehörten, um mich zu überwachen«, sagte Aden. »Aber dabei vergaß er, dass ich nicht nur ein einfacher Feldscher bin.«
Judd fragte sich, ob Aden die von Walker gelernten telepathischen Fähigkeiten eingesetzt hatte, um das Personal zu beeinflussen. Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank hätten nicht argloser sein können. »Ming hatte also keinen Grund, die Totenscheine anzuzweifeln, die in den Dinariden ausgestellt wurden.«
Adens Gesicht zeigte keinerlei Regung. »Vor allem, da die Leichen bereits eingeäschert worden waren, was Keisha Bale bestätigt hatte.«
»Die führende M-Mediale«, sagte Vasic, als Judd fragend aufsah.
»Kenne ich die Abtrünnigen?«, fragte Judd, beeindruckt vom Umfang der Aktion.
»Die ersten vier stammen aus der Generation vor uns – den Anfang machten zwei, die hinter undurchdringlichen Schilden noch zwei Jahre nach ihrem ›Tod‹ im Medialnet blieben, bis der dritte Abtrünnige zu ihnen stoßen konnte«, sagte Aden. »Drei hielten sie für die kleinste Zahl eines unabhängigen Netzwerks.«
»Kluge Entscheidung.« Das Laurensnetz hatte anfänglich aus zwei Erwachsenen, einer Jugendlichen und zwei Kindern bestanden, und es funktionsfähig zu halten hatte ihnen alles abverlangt.
»Nach dem dritten folgte rasch der vierte, dann sank die Aktion in eine Art Winterschlaf, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Es ging wieder los, als ich den Posten des Gardearztes übernahm.«
Nun sah Judd die Verbindung. »Deine Eltern starben, als das kleine Tarnkappenboot, mit dem sie unterwegs waren, in Flammen aufging.« Aden war damals noch ein Kind gewesen – aber alt genug, um in Silentium zu sein, alt genug, um Geheimnisse in seinem Geist zu verbergen.
Weder bestätigte noch leugnete Aden, was Judd damit sagen wollte, sondern bemerkte stattdessen: »Ich habe dich beobachtet, nachdem du es geschafft hattest, dass Jax bei dir abgesetzt wurde. Wollte dich ins Programm nehmen, aber du warst ein solch perfekter Gardist. Ich fand keine zuverlässige Möglichkeit,
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