Einsame Spur (German Edition)
dorthin geworfen. Nachdem sie ihren Durst an einem Wasserfall gelöscht hatte, ließ sich Adria auf einem der Steine nieder. »Tut mir leid, dass ich so schnippisch war.«
Indigo hatte sich auf den Boden gesetzt und lehnte mit dem Rücken an dem Felsen, sie tätschelte Adrias Unterschenkel. »Macht nichts. Was hat Riaz denn getan?«
»Er will, dass ich mit ihm zusammenziehe.«
»Nicht weiter überraschend«, sagte Indigo und streckte die Beine aus. »Er ist ein Wolf. Das Rudel bedeutet ihm alles, und mit seiner Frau fängt es an.«
Da war es wieder: seine Frau. »Ich wollte mit ihm zusammen sein«, flüsterte Adria, »aber ich hätte nie geglaubt, dass es mich so hart erwischt, dass ich mich so tief einlasse, dass ihm jetzt schon Teile von mir gehören, die Martin nicht einmal berührt hat.« Zum ersten Mal akzeptierte sie ganz bewusst diese Tatsache … und auch die Angst, die sie auslöste. Martin hatte sie verletzt, Riaz konnte sie vernichten. »Er macht Sachen, bei denen mir die Luft wegbleibt und es tief in der Brust wehtut.«
»Was, zum Beispiel?«
»Gestern ist er mit meinen Stiefeln verschwunden und hat sie mir neu besohlt zurückgebracht, weil er bemerkt hatte, dass sie nicht mehr in Ordnung waren.« Als sie sich bedankt hatte, hatte er ihr nur kurz über die Wange gestrichen und gesagt, es sei doch seine Aufgabe, für sie zu sorgen. »Am Tag davor habe ich einen Schal in meiner Wohnung gefunden, leicht wie eine Feder und genau in der Farbe meiner Augen.« In das Violett waren goldene Fäden gewirkt.
»Und er füttert mich dauernd«, sagte sie, ganz aufgebracht über die unerwartete Zärtlichkeit. »Mit kleinen Kuchen, selbst gemachter Pizza und meinen Lieblingsspaghetti.« Und das Schönste waren die kleinen Holzfiguren, die sie immer wieder in ihren Taschen fand. Ihr Lieblingsstück war ein kleiner Drache mit zorniger Miene und ausgefahrenen Krallen.
»Der Beschützerinstinkt gehört nun mal dazu«, sagte Indigo. »Das weißt du doch. Ich bin dominanter als Drew, aber er findet immer wieder eine Gelegenheit, sich um mich zu kümmern.« Sie nahm den kleinen traurigen Bären aus der Hosentasche, küsste ihn und steckte ihn behutsam wieder ein.
»Klar weiß ich das. Ich habe bloß nicht erwartet, dass Riaz sich mir gegenüber so verhält.« Sie musste das nicht groß erklären und wollte auch nicht über die unbekannte Frau sprechen, die Riaz’ Gefährtin war.
Indigo sah sie an. »Ich verstehe, warum du zögerst. Denkst du, du würdest ohne ihn glücklicher sein?«
»Ich kann den Gedanken nicht ertragen, ohne ihn zu sein.« Der Schmerz war unglaublich tief … und das war die Antwort auf die Frage.
Adria ließ sich zu Indigo auf den Boden hinunter. »Es hat keinen Zweck, ihn auf Distanz halten zu wollen, nicht wahr? Ich gehöre ihm doch schon.« Mit der Faust rieb sie sich über die Brust, denn auch wenn es ihr höllische Angst einflößte, ihre ganze Liebe einem Mann zu geben, der ihr nie richtig gehören würde, wäre es ungerecht ihr selbst und dem einsamen Wolf gegenüber, bei dem sie sich so wertgeschätzt fühlte, wenn sie sich zurückhielt. »Ich muss den Mut haben, ihn bedingungslos zu lieben.«
52
Vasquez ging die neuesten Berichte über versuchte Sabotage auf dem Land der SnowDancer-Wölfe durch. Die Anzahl der Anschläge war in den letzten zwei Wochen merklich zurückgegangen, und kein einziger hatte den Wölfen Probleme bereitet, jedoch hatten Planung und Ausführung den Hauptteil der verbleibenden Kräfte der Makellosen Medialen in Anspruch genommen.
Gut so, dachte er, und beschied dem Anführer, damit fortzufahren. Solange sie mit den nutzlosen Aktionen beschäftigt waren, konnte er die »Kostprobe« vorbereiten, ohne Sorge haben zu müssen, ungewollt Neugier zu erregen. Es durfte nichts durchsickern. Nicht jetzt.
Nicht wenn die Zeit endlich gekommen war.
»Es gibt nur ein Problem«, sagte er zu Henry am Abend. »Für die Nebenziele steht mir eine Einheit zur Verfügung, doch ich habe nur einen Kämpfer, dem ich das Hauptziel anvertrauen kann.« Damit war es unmöglich, die Angriffe kurz hintereinander ablaufen zu lassen, obwohl er neben der Kostprobe fünf bestätigte Angriffsziele hatte. »Dennoch halte ich es nicht für günstig, noch länger zu warten. Das Medialnet wird immer stärker infiziert von Medialen, deren Konditionierung gebrochen ist.«
»Sobald sich ein günstiger Moment bietet, schlagen wir los«, sagte Henry kurzatmig. »Der Erfolg ist uns sicher.«
»Ja,
Weitere Kostenlose Bücher