Einsame Spur (German Edition)
»Deinetwegen hätte ich fast das Gleichgewicht verloren, meine Süße.«
Sakura kicherte. Ihr fein geschnittenes Gesicht trug die Kriegsbemalung einer Häuptlingstochter. »Neal jagt mich.« Sie blickte über Elias’ Schulter. »Da kommt er!« Sie rutschte aus den Armen ihres Vaters und sauste so schnell um die Ecke, wie man es dem zarten Mädchen gar nicht zugetraut hätte.
Kurz darauf flitzte ein Junge im selben Alter vorbei, der eine giftgrüne Wasserbombe in einer Hand hielt.
Riaz’ Wolf reckte sich freudig, er gab Elias die Wasserflasche zurück. »Die Jüngsten haben mit der Feier offenbar schon angefangen.«
Der Soldat antwortete nicht, sondern schaute nur nachdenklich den Kindern hinterher.
»Keine Sorge«, sagte Riaz, der glaubte, Elias habe Angst um Sakura. »Drew hat die Wasserbomben gecheckt. Die tun gar nicht weh – machen den anderen nur nass.«
»Was? Ach so, das.« Elias schüttelte den Kopf und fuhr sich mit der Hand durch sein schweißnasses Haar. »Nein, das ist es nicht.« Er trank einen Schluck Wasser. »Aber … eben hat sie das erste Mal wieder gelacht.«
Bei einem unerwarteten Angriff der Makellosen Medialen war Elias so schwer von einem Laser getroffen worden, dass er sich in einem Schockzustand befand, als er auf die Krankenstation gebracht wurde. Niemand hatte die kleine Sakura trösten können – sie war der Augapfel ihres Vaters. Ihre stille Trauer war umso schmerzlicher. Es hatte jedem im Rudel schier das Herz gebrochen, als sie mit großen, traurigen Augen wie ein ausgesetztes Hündchen herumgelaufen war.
Riaz wusste, dass Eli und seine Gefährtin Yuki sich große Sorgen um die längerfristigen Auswirkungen des Traumas machten. »Das braucht Zeit«, sagte er und dachte an ein anderes Kind und einen anderen Vater. »Sie wird drüber wegkommen. Kinder sind stärker, als man denkt.«
Elias sah ihn an. »Du klingst sehr sicher.«
»Mein Vater wurde auch schwer verletzt, als Garrick getötet wurde.« Als Lehrer hatte sein Vater kaum etwas gegen die von den Medialen manipulierten dominanten Rudelgefährten ausrichten können, aber er hatte standgehalten, um die Schwachen zu schützen. »Ich stand vollkommen unter Schock.« Selbst jetzt noch mochte er kaum daran denken. »Denn Väter dürften einfach nicht verletzt werden. Meine Eltern haben danach das Beste getan, was sie in solch einer Lage tun konnten, sie haben mich und meinen Bruder nicht mit Samthandschuhen angefasst – die Normalität hat uns wieder geerdet.« Und schon damals hatte er gewusst, was für ein Glück er gehabt hatte.
Riley hatte seine Eltern verloren.
Hawke hatte seinen Vater verloren … und kurz darauf auch die Mutter.
Bei dem schrecklichen, hinterlistigen Angriff waren viele ihrer Freunde Vollwaisen geworden oder hatten einen Elternteil verloren.
»Schenk ihr deine Liebe«, sagte er. »Mehr braucht sie nicht.«
»Ich werde nie vergessen, wie es damals in der Höhle nach dem Kampf war.« Ein kalter Schatten legte sich über Elias’ warmen Blick. »Wie unheimlich still. Viele starke Gefährten waren gefallen. Ich war noch Rekrut und hatte fürchterliche Angst, das Rudel würde auseinanderbrechen.«
Doch die Wölfe waren nicht daran zerbrochen. Sie waren stärker geworden. Und heute feierten sie die Paarung des Jungen, der seine Kindheit aufgegeben hatte, um das Rudel aus der Dunkelheit hinauszuführen. Nichts und niemand konnte die tiefe Ergebenheit des Rudels Hawke gegenüber je ins Wanken bringen. »Komm schon«, sagte Riaz zu Eli. »Die größenwahnsinnigen Techniker gestikulieren schon wie wild, dass wir kommen sollen.«
Zwei Stunden später sagte der Soldat: »Geschafft! Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber ich könnte jetzt ein Bier brauchen.«
Riaz nahm das T-Shirt, das er sich vorhin ausgezogen hatte, wischte sich den Schweiß vom Gesicht und nickte. Dann legte er sich das Hemd um den Hals und verließ mit Eli den Festplatz, ohne groß auf eine Gruppe von Frauen zu achten, die mit Kisten voller Dekorationsmaterial an ihnen vorbeigingen.
Ein schriller Wolfspfiff zerriss die Stille, und Riaz blickte zurück – in die Augen einer Schönheit mit feurigen dunklen Augen, deren blonde Locken bis zu den Hüften reichten. Sie hob die Kiste auf ihre Hüfte, reckte die vollen Brüste im marineblauen Baumwollhemd vor und lächelte einladend. Die meisten heißblütigen Männer hätten ohne Zögern zugegriffen, aber Riaz schüttelte nur mit einem freundlichen Lächeln den Kopf, damit die
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