Einsame Spur (German Edition)
wann er sich geschlagen geben musste.
Er legte den Arm um die kleine Jem und drückte sie an sich, sein Wolf hieß sie willkommen. Die Loyalität so starker und warmherziger Männer und Frauen war ein Geschenk – selbst wenn sie manchmal seine Autorität infrage stellten. Und in diesem besonderen Fall … war es ein Zeichen von so tiefer Liebe, dass man als Leitwolf schon mit dem Klammerbeutel gepudert sein musste, um sie abzulehnen. »Dann sollten wir Schlafplätze für euch suchen.«
Cooper schnaubte. Eine hässliche Narbe zog sich auf der linken Gesichtshälfte über die mahagonifarbene Haut. »Wer will denn schlafen?«
»Ich jedenfalls nicht.« Tomás’ Grinsen war ansteckend. »Ich will bis zum Morgengrauen tanzen, am liebsten mit der kleinen Wölfin, die ich vorhin gesehen habe – dann schleiche ich mich nach Hause, bevor es jemand mitbekommt.«
»Die ungebundenen Frauen werden sich vor dir hüten, mi amigo«, sagte Matthias in schleppendem Tonfall. Er hatte den Arm um Indigos Schultern gelegt. »Aber keine Sorge. Die Großmütter werden sich sicher über deine Gesellschaft freuen.«
Tomás wandte sich zu dem großen Offizier um. Auf seinem Gesicht lag gespieltes Bedauern. »An deiner Stelle würde ich mich vorsehen – Drew zieht dir sicher wieder eins über, wenn er hört, dass du Indy in den Arm genommen hast. Hat er dir nicht beim letzten Mal den Hintern versohlt?«
Indigo tätschelte Matthias’ Arm. »Sie haben sich versöhnt.«
»Gab es Küsse?«, fragte Tomás und klatschte in die Hände. »Kaum zu glauben, dass ihr niemanden –«
Jem war an ihn herangetreten, nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn. »Bitte sehr, Tommy.«
Zum ersten Mal sah Hawke, wie es Tomás die Sprache verschlug. Alle anderen brachen in lautes Gelächter aus.
Hawkes Wolf grinste glücklich – schon seit Jahren waren der Leitwolf und seine Offiziere nicht mehr an einem Ort zusammengekommen, und verdammt noch mal, es war ein unglaublich gutes Gefühl. Auch für das Rudel würde es gut sein, ein stilles Zeichen, dass die Wölfe sich nicht vor ihren Feinden fürchteten und sich weder versteckten noch fortliefen.
Sie waren Wölfe, und sie waren stark.
16
Ratsherr Kaleb Krychek verließ das Medialnet und schlüpfte wieder zurück in seinen Körper auf dem Balkon am Rand von Moskau. Der Balkon hatte kein Geländer, und der steile Abgrund, den der dunkle Schleier der Nacht gerade verbarg, bedeutete den Tod für jeden, der nicht fliegen … oder teleportieren konnte.
Er schloss die Augen und öffnete sie wieder.
Seine Fähigkeit, zu jedem Individuum teleportieren zu können, war in dieser Situation völlig nutzlos. Denn aus irgendeinem Grund konnte er eben nicht zu derjenigen Person teleportieren, die er seit Jahren suchte. Ein weiteres Mal öffnete er sein geistiges Auge und ging die Pfade durch, die er bislang beschritten hatte. Unbestreitbar kam er näher. Allerdings war es fraglich, ob er rechtzeitig –
Ratsherr.
Er richtete seine Aufmerksamkeit auf den telepathischen Ruf, kehrte zurück in seinen Kopf und trat ins Medialnet – dieses Mal ohne die Schilde, die ihn unsichtbar machten. »Silver.«
Das Bewusstsein seiner Assistentin war vollkommen klar, zeigte nicht die Haarrisse einer gebrochenen Konditionierung. »Sir. Meine Familie hat auch während der Schlacht mit den Gestaltwandlern nicht den Kontakt zu den Makellosen Medialen verloren. Den letzten Berichten zufolge regt sich die Gruppierung erneut.«
»Damit habe ich gerechnet.« Die Makellosen Medialen waren durch das kalte Feuer Sienna Laurens und die vereinte Kampfkraft von Gestaltwandlern, Menschen und Medialen zwar schwer geschwächt, aber nicht vollkommen zerschlagen worden.
Eine ungewöhnliche Allianz hatte sich da zusammengefunden.
Kaleb hatte das Ganze von Weitem beobachtet und abgewogen, was diese gemeinsamen Anstrengungen nicht nur für seine Gattung, sondern für die ganze Welt bedeuten mochten.
»Welches neue Ziel haben sie ins Auge gefasst?«
»Noch wird das nicht deutlich. Die Informationen erreichen nur eine ausgewählte Gruppe von Individuen, die unbedingt Bescheid wissen müssen. Unser Kontakt konnte bislang nur bestätigen, dass sich die Aufmerksamkeit der Makellosen Medialen nun nicht mehr auf die Gestaltwandler, sondern auf das Medialnet richtet.«
Kaleb überlegte, was diese radikale Veränderung bewirkt haben konnte. Nachdem sie so vernichtend geschlagen worden waren, war es sicher sinnvoll, wenn die Gruppierung ihre
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