Einsame Spur (German Edition)
weil sie unweigerlich gleich ein Schlag in die Rippen treffen würde, doch … nichts passierte. Erstaunt stellte sie fest, dass er den Fuß zurückgezogen hatte. Was an sich nicht falsch war – sie tat das auch manchmal im Training, denn es ging ja nicht darum, Kameraden blutig zu schlagen, sondern zu lehren und zu lernen. Aber Riordan hätte sie hart genug treffen müssen, damit sie ihren Fehler bemerkte.
Heiß wallte Zorn in ihr auf. »Was war denn das?«, fragte sie und hielt in ihrer Bewegung inne.
»Was?« Er fuhr sich mit der Hand durch die schokoladenbraunen Locken.
»Dieses Trittchen.«
»Du brichst ab, um mich zu kritisieren?« Er sah sie finster an. »Das kannst du auch nachher machen – los, weiter, bevor mir graue Haare wachsen.«
Schon genug im Stress wegen der Feier am nächsten Tag, war Sienna überhaupt nicht dazu aufgelegt, ihm diesen männlichen Schwachsinn durchgehen zu lassen. »Soll ich dein Haar versengen, dann brauchst du dir über graue Haare keine Sorgen mehr zu machen?« Das war ihr einfach so herausgerutscht.
Gleich würden sich die Augen, die sie stets freundlich betrachtet hatten, mit Angst füllen. Sie hatte einen Fehler gemacht, und ihr Magen zog sich zusammen – Hawke hatte sie schon öfter spielerisch damit gedroht, die Augenbrauen zu versengen, aber sie hatte stets darauf geachtet, niemand anderen im Rudel daran zu erinnern, wer sie war. Doch statt Furcht erntete sie nur Grinsen und Achselzucken. »Hab mir gedacht, du willst morgen sicher nicht mit blauen Flecken rumlaufen.« Ein charmanter Blick aus großen braunen Augen.
Das schien ein sinnvoller Grund zu sein. Doch ihr fiel ein, dass er genau dasselbe schon beim letzten Training getan hatte – nur etwas geschickter, er hatte sie gestreift, damit sie wusste, dass sie getroffen war. Doch trotz seines jungenhaften Charmes war Riordan dominant. Je mehr sie auf eine Erklärung drängen würde, desto weniger würde er darauf eingehen. »In Ordnung«, sagte sie mit einem Lächeln, das ihre Rachegelüste hoffentlich verbarg. »Danke. Bist du bereit?«
Er nahm wieder Kampfhaltung ein.
Ohne Vorwarnung ging sie voll auf ihn los – ihr Fuß traf hart seine Rippen, ihr Ellenbogen sein Kinn, ihre Faust seinen Magen. Das schöne Gesicht ließ sie unversehrt, denn er hatte eine Verabredung für das Fest. Doch als er sie nur abblockte, selbst aber nicht angriff, kniff sie die Augen zusammen und setzte zu einem Tritt ins Gesicht an, der einen großen blauen Fleck hervorgerufen hätte, wenn er dort gelandet wäre, wo sie wollte.
»Verdammt!« Er griff ihren Knöchel, kurz bevor ihr Fuß ihn berührte, und warf sie zu Boden, war nur einen Augenblick später über ihr und drückte sie mit dem Gesicht in die Matte. »Willst du mich umbringen?«, knurrte er.
Statt einer Antwort und obwohl sie kaum noch Luft in den Lungen hatte, warf sie den Kopf kräftig zurück. Er wich fluchend aus und ließ sie los. Sie stemmte sich hoch und hob eine Augenbraue, als Riordan sie vom anderen Ende der Matte misstrauisch ansah. »Tut mir leid«, sagte sie mit einer zuckersüßen Stimme, die jeden Schokoriegel mit Stolz erfüllt hätte. »Haben wir etwa nur so getan, als würden wir ernsthaft trainieren?«
Er knurrte wieder, noch lauter und tiefer. »Du bist die Gefährtin meines Leitwolfs«, blaffte er so wütend, wie sie ihn noch nie erlebt hatte. »Mein Wolf kann dir nicht wehtun.«
Das nahm ihr ein weiteres Mal den Atem. Sie war so damit beschäftigt gewesen, was das Rudel von ihr halten mochte, seit nun alle von dem kalten Feuer wussten, dass sie sich gar keine Gedanken über die Auswirkungen ihrer Beziehung zu Hawke gemacht hatte – vor allem, da ihre beste Freundin Evie so unbekümmert damit umgegangen war. Aber es war nun einmal eine Tatsache, dass sie für Riordan nicht mehr nur seine Freundin, die Rekrutin Sienna Lauren, war, sondern Sienna Lauren Snow, die Gefährtin des Leitwolfs.
Völlig überrascht über die weitreichenden Konsequenzen dessen, was Riordan gerade gesagt hatte, brauchte sie ein paar Sekunden, um eine Antwort zu finden. »Der Leitwolf kann herausgefordert werden«, sagte sie nachdenklich. »Die rangniedrigeren Soldaten können ihn also angreifen, dann gilt dasselbe auch für seine Gefährtin.«
Seufzend ließ sich Riordan nach hinten fallen und streckte sich auf dem Boden aus. »Hast du eine Ahnung, was Hawke mit mir machen würde, wenn ich dich verletze!«
»Aber nicht bei einer Verletzung im Training.« Hawke war zwar
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