Einsame Spur (German Edition)
letzten Vorbereitungen zu helfen. Nell, die die Oberaufsicht über die Mütter führte, teilte sie zur Küchenarbeit ein. Was für sie vollkommen in Ordnung war – sie arbeitete gerne mit den Händen, selbst wenn es darum ging, zweitausend Kartoffeln zu schälen.
»Hallo.« Ein breitschultriger Mann mit dunklem Haar und gebräunter Haut setzte sich ihr gegenüber auf einen Stuhl. Er lächelte, und das Grübchen auf seiner linken Wange gab ihm etwas Spitzbübisches. »Man hat mich zu den Fußtruppen abgeordnet.« Er hielt ein Schälmesser hoch. »Sam ist mein Name. Du bist Adria, habe ich recht?«
»Ja.« Unmöglich, nicht zurückzulächeln.
»Ich wusste gar nicht, dass Indigo noch eine Schwester hat.«
Den Fehler konnte man leicht machen, wenn man ihre Familie nicht näher kannte. »Ich bin Tarahs Schwester«, sagte sie. »Eigentlich also Indigos Tante.«
»So ein Unsinn.« Zwischen seinen Brauen entstand eine steile Falte.
Die Wölfin freute sich. »Pfadfinderehrenwort.« Ihre Eltern waren vor Freude »aus dem Häuschen gewesen« über die überraschende Schwangerschaft ihrer älteren Tochter, kurz nachdem diese den Bund mit einem Gefährten geschlossen hatte.
Indigo war vier Jahre nach Adria geboren worden.
»Aha.« Eine ganze Weile schälten sie schweigend weiter. »Und hast du für das Fest schon eine Verabredung?«
Es war gut zu flirten, eingerostete Fähigkeiten wieder zum Leben zu erwecken. »Willst du damit sagen, dass du noch nicht vergeben bist?«
Achselzucken. »Ich hatte keine Lust auf Eifersüchteleien und wollte eigentlich solo aufkreuzen, aber jetzt …« Ein charmanter Blick, der jeder Raubkatze Ehre gemacht hätte – und umso beeindruckender, als Sam ein Mensch war.
Beinahe hätte sie angenommen – er war zum Anbeißen und fand sie offensichtlich anziehend, aber … er wirkte so unschuldig. Ende zwanzig und nach allem, was sie bei der Schlacht von ihm mitbekommen hatte, hart im Nehmen und sehr mutig, aber nicht hart genug. Obwohl sie in Wirklichkeit wohl nur fünf, höchstens sechs Jahre voneinander trennten, kam sie sich neben ihm alt vor. »Ich bin nicht gut für dich, Sam.«
Sein Lächeln verschwand bei den leisen Worten, die samtbraunen Augen sahen sie eindringlich an. »Aber vielleicht bin ich gut für dich. Was meinst du?« Er schälte schweigend noch eine Kartoffel, als warte er darauf, dass sie etwas sagte. Als sie weiter schwieg, seufzte er theatralisch. »Na, schön, ich gebe mich geschlagen – aber unter einer Bedingung.«
Oh Gott, aber sie mochte ihn dennoch. »Das hört sich nicht nach Rückzug an.«
»Ich gehöre zum Rudel der SnowDancer-Wölfe.« Er grinste verschmitzt. »Du musst mir versprechen, so oft mit mir zu tanzen, wie ich möchte.«
»Aber nur tanzen«, sagte sie. Es wäre Sam gegenüber nicht fair gewesen, ihn in dem Glauben zu lassen, er habe Chancen bei ihr – da ihre Wölfin schon auf einen anderen Mann fixiert war. Sie würde das schmerzhafte und ungewollte Verlangen schon irgendwann überwinden, wollte aber bis dahin niemanden verletzen.
»Okay.« Sams verdächtig schnelle Zustimmung wurde von einem weiteren verschmitzten Lächeln begleitet.
Zum Anbeißen, er würde sicher versuchen, einen Kuss von ihr zu bekommen, wenn nicht mehr. »Sam!« Ihr Lachen machte den Versuch eines ernsthaften Gesprächs zunichte. Plötzlich fühlte sie sich ganz leicht und sorgenfrei. Nie hätte sie gedacht, dass das jemals wieder der Fall sein könnte.
Sein Grübchen hatte verheerende Auswirkungen, er stieß sie mit dem Stiefel an, verspielt wie ein Junges. »Wir werden Spaß haben.«
»Ja«, sagte sie, und die Wölfin in ihr tanzte glücklich herum. »Das denke ich auch.«
Die Zeit in San Diego hatte Riaz gutgetan. Viel ruhiger als davor, war er früh am Morgen mit dem ersten Flug zurückgekehrt; seine Eltern würden mit ihren Schutzbefohlenen am Nachmittag folgen. Nun half er, die Anlage für das Fest aufzustellen – steckte auf Anweisung der Techniker Kabel zusammen und wuchtete Lautsprecher an den richtigen Platz. »Ich hab das Gefühl, den Jungs gefällt das ein wenig zu gut«, sagte er zu Elias, als sie kurz verschnauften, um einen Schluck Wasser zu trinken.
»Sehr oft haben sie ja nicht Gelegenheit, einem Offizier Befehle zu erteilen.« Elias grinste … und stolperte beinahe, als ein kleiner Wirbelwind ihn von hinten schubste und die Arme um seine Beine schlang.
»Daddy!«
Elias warf Riaz die Wasserflasche zu, schnappte Sakura und hob sie hoch.
Weitere Kostenlose Bücher