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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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tatsächlich genau so gut wie das von Super-
Tomas, der zwei Jahre vor mir mit der Schule zu Ende war. Wenn man es denn vergleichen kann, er hatte Buchstaben, ich habe Ziffern. Die Lehrer waren auf jeden Fall verwundert, und meine Eltern auch. Ich nicht, ich kenne meinen Wert.
    Als ich acht Jahre alt war, da war ich auch süß. Da bin ich von einer Schaukel gefallen, auf dem Kopf gelandet und habe eine Persönlichkeitsveränderung durchgemacht. Ich verhalte mich anderen Menschen gegenüber nicht so, wie man es soll. Dieser Meinung ist zumindest mein Psychiater. Er heißt Douglas Diensen, ich hatte die ganze Zeit denselben. Meine Eltern vertrauen ihm, alle vertrauen ihm, alle außer mir. Ich weiß, dass er langsam geil auf mich wird, und ich werde ihn nicht mehr treffen.
    Denn jetzt ziehe ich nach Uppsala. Ich bin also schlau, aber in meiner Persönlichkeit verändert. Ich werde Französisch studieren, meine Eltern sind davon ausgegangen, dass ich Tante Beckas Wohnung mit Tomas teilen werde, schon im Frühling haben sie davon angefangen, aber ich habe dankend abgelehnt. Wenn man im Schatten dieses Goldjungen aufgewachsen ist, dann ist es irgendwann an der Zeit, in den Sonnenschein zu ziehen.
    Vielleicht wird es irgendwann auch noch Jura, aber ich fange erst einmal mit Französisch an. Das klingt leichtsinnig genug, ich habe noch keine konkreten Pläne mit meinem Leben. Ich werde in einem Zimmer in einem Haus in der Norrtäljegatan wohnen. Ich habe ein Kreuz auf dem Stadtplan gemacht, von dort braucht man nicht mehr als zehn Minuten zur Bahn. Ich werde morgen fahren, heute ist der letzte Abend hier. Meine Taschen sind gepackt, Papa wollte mich eigentlich fahren, aber ich habe gesagt, das kommt gar nicht in Frage. Wenn ich das Nest verlasse, dann will ich es aus eigener Flügelkraft tun. Was denken die sich denn?
    Mama hat den ganzen Abend geweint. Vielleicht nicht den ganzen, aber immer wieder in gewissen Abständen. Sie wissen nicht, was sie mit dem Haus machen sollen, hat sie gesagt. Jetzt, nachdem sowohl Tomas als auch ich nicht mehr hier sind. Haben sie geglaubt, dass wir nie erwachsen werden?, frage ich mich, oder worum geht es? Verkauft die Bruchbude doch, denke ich für mich, und wenn sie nicht aufhört zu flennen, dann werde ich es auch noch laut sagen.
    Verkauft den Kasten und zieht nach Spanien, genau wie Tante Becka. Und wie diese Blöden von Friesmans, von denen du die ganze Zeit redest. Wenn man so viel Geld hat wie ihr, dann gibt es doch wohl keinen Grund, weiterhin in Sundsvall zu bleiben? In Spanien könnt ihr Golf spielen, am Pool liegen und von morgens bis abends süßen Wein trinken.
    Sie sind mir scheißegal. Und das ist mein Problem. Alle anderen Menschen sind mir scheißegal. Vor allem junge Typen. Sollte ich jemals einen treffen, wenn nicht gerade zum Vögeln, dann muss es einer sein, der genauso verdreht ist wie ich. Genauso verdreht und genauso schlau, dann könnte etwas daraus werden.
    Ich ertrage dieses zaghafte Positive nicht. Hoffnungsvoller, enthusiastischer Quatsch. Das Leben ist ein Scheißhaufen. Ich bin bösartig.
    Ich bin neunzehn Jahre alt und hübsch, und ich denke an mich selbst, vergesst das nicht, liebe Leute. Morgen Abend werde ich ein paar Zeilen über mein neues Leben in der Norrtäljegatan in Uppsala schreiben. Vielleicht.
    Ich bin Maria, der Spatz.

6
    W em ist aufgefallen, dass vor fünfunddreißig Jahren an derselben Stelle schon einmal etwas Ähnliches passiert ist?«
    »Elis Bengtsson.«
    »Elis Bengtsson?«
    »Der ihn gefunden hat. Er war letztes Mal auch dort.«
    »Was sagst du da? War das dieselbe Person, die …«
    Barbarottis Telefon klingelte, und Eva Backman unterbrach sich. Barbarotti drückte das Gespräch weg.
    »Entschuldige. Ja, er war letztes Mal in der Gegend. Und dieses Mal hat er die Leiche gefunden. Er wohnt in der Nähe, war mit dem Hund draußen … sowohl damals als auch jetzt.«
    Backman betrachtete ihn ungläubig.
    »Findest du, das klingt glaubwürdig?«, fragte sie. »Dass sich dieselbe Person … wie hast du es genannt? … in der Gegend befindet? Bei zwei Fällen?«
    »Nicht besonders«, stimmte Barbarotti zu und schaute auf die Uhr. »Aber wir werden ihn in zehn Minuten treffen, vielleicht können wir mit unserer Einschätzung bis dahin
warten.«
    »Und wir wissen immer noch nicht, wie die neue Leiche heißt?«
    Barbarotti schüttelte den Kopf. »Leider nicht.«
    »Wie hieß die von 1975?«
    Barbarotti befragte ein Papier auf dem Schreibtisch.

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