Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
Vom Netzwerk:
Mal. Nur wenn es in diese Richtung ging. An den Sonntagen, an denen sie in die andere Richtung unterwegs war – vom Singleleben zur dreifachen Mutter –, war keine Schleuse nötig, man konnte sich natürlich fragen, warum.
    Sie fragte sich auch, ob die Abmachung tatsächlich so fantastisch war, wie sie anfangs geglaubt hatte. Seit der Scheidung waren zwei Jahre vergangen, anderthalb, seit sie in die Grimsgatan gezogen war. Alle fünf Beteiligten waren überzeugt gewesen, dass die Lösung ausgezeichnet war, besonders die Jungs, die so nicht umziehen mussten und keinen größeren Veränderungen ausgesetzt waren. Sie hatten jede zweite Woche einen Papa, die andere eine Mama. Schichtwechsel am Sonntag, Abwechslung macht Spaß.
    Aber es war ja nur vorübergehend. Damit tröstete sich Eva Backman gern. Jörgen würde im Januar zwanzig werden, in zwei, drei Jahren wären er und Kalle ausgezogen, dann konnten sie das Haus verkaufen und etwas mehr Ordnung in ihre Finanzen bringen.
    Fünf Jahre Wartezeit, dachte sie und stellte fest, dass der Kühlschrank genauso leer war wie vor einer Woche, als sie ihn zurückgelassen hatte. Soll man so leben, kurz vor den Wechseljahren?
    Sie war sechsundvierzig. Welche Alternative gab es? Sich einen neuen Kerl anlachen? Und wie, bitte schön? Wie um alles in der Welt stellte man das an?
    Zu Ville zurückgehen?
    Nie im Leben, dachte sie. Nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich damit auf den Balkon. Sie wusste, dass er sofort damit einverstanden wäre, wenn sie die Möglichkeit nur andeutete. Das war fast das Schlimmste. Er wollte sie zurückhaben; inzwischen sagte er es zwar nicht mehr offen, wenn sie sich trafen, aber sie konnte es ihm ansehen. Dieses Flehende, Weiche – schon wenn sie miteinander telefonierten, es fiel ihr immer schwerer, es zu ertragen. Reiß dich zusammen!, hätte sie am liebsten gesagt. Tu etwas – schaff dir eine neue Frau an, es gibt doch bestimmt jede Menge davon in deinem Sportverein, die sich nach dir alle zehn Finger lecken. Aber du und ich, das ist vorbei, finito!
    Ja, was auch immer, nur nicht in den alten Trott zurück. Aber wieso sie dann hier auf ihrem höchsteigenen Balkon saß und an ihren ehemaligen Mann dachte, das konnte man sich natürlich auch fragen. Reichte die Neunzig-Minuten-Schleuse nicht mehr?
    Scheiße, dachte Eva Backman. Das Leben zehrt an einem.
    Während sie am Computer ihre Rechnungen bezahlte, dachte sie zurück an den gestrigen Abend. Das war schöner, sehr viel schöner. Sie war bei Barbarotti und Marianne in der Villa Pickford zum Abendessen gewesen. Nicht zum ersten Mal, absolut nicht, aber es war das erste Mal, dass sie zu zehnt am Tisch gesessen hatten.
    Drei Erwachsene, sieben Teenager. Marianne hatte gemeint, es wäre sicher weltweit einzigartig, und da hatte sie möglicherweise sogar recht. Drei typische Altachtundsechziger, die mit drei anderen, nicht anwesenden Menschen sieben Kinder produziert hatten, hatte sie konstatiert, und Barbarotti hatte einen Toast darauf ausgebracht.
    Schwedens Jugend, seine Zukunft!
    Das stand immer auf den Sportmedaillen, die man sich zu seiner Zeit in der Schule erkämpft hatte, wie er behauptete. Keiner hatte ihm geglaubt. Er hatte den Tisch verlassen und in irgendwelchen Schubladen und Schuhkartons gewühlt, um es zu beweisen, war aber mit leeren Händen zurückgekehrt. Behauptete, seine ehemalige Ehefrau hätte seine Medaillensammlung konfisziert und eingeschmolzen, nur um des schnöden Mammons willen. Was wohl eine ansehnliche Summe eingebracht hätte, wie man der Wahrheit willen hinzufügen müsste. Mittels einer einfachen Abstimmung am Tisch wurde festgestellt, dass er in der Glaubwürdigkeitsfrage neun zu eins unterlag.
    Es war das erste Mal, dass sie Jörgen, Kalle und Viktor mit Gunnars und Mariannes Kindern zusammengebracht hatte, und als sie sich ins Auto setzten, um nach Kymlingenäs zu fahren, hatte sie Schmetterlinge im Bauch gehabt.
    »Mama, du bist nervös«, hatte Kalle gesagt. »Brauchst du nicht zu sein, wir können uns benehmen, wenn die Lage es erfordert.«
    Er hatte Recht gehabt. Nicht, dass sie sich unbedingt hatten benehmen müssen, es hatte Augenblicke am Tisch gegeben, wo sie sich vor Lachen die Augen wischen musste. Warum geschah so etwas so selten im Leben? Eine große Gruppe Menschen um einen Esstisch herum. Kinder und Eltern. Gespräche und Lachen. Warum war das so verdammt schwer? Warum haben wir die uralte soziale Funktion der Mahlzeiten in diesem Land

Weitere Kostenlose Bücher