Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
Vom Netzwerk:
es denn für so einen Verdacht?«
    Elis Bengtsson presste die Lippen zusammen und ließ mit der Antwort ein paar Sekunden auf sich warten. »Na, das lag wohl daran, dass sie geschrien hat«, sagte er dann.
    »Sie hat geschrien?«, fragte Backman.
    »Ja«, nickte Elis Bengtsson. »Sie hat etwas geschrien, bevor sie unten aufgeprallt ist und sich wohl das Genick gebrochen hat. Einige von der Gruppe haben es gehört, und ich auch. Ich war zwar ziemlich weit weg, aber zu der Zeit hatte ich noch gute Ohren.«
    »Was hat sie denn geschrien?«, wollte Barbarotti wissen. »Ich meine, ist es nicht ganz natürlich, dass man schreit, wenn man einen Abhang hinunterstürzt?«
    »Das war ja gerade die Krux«, sagte Elis Bengtsson.
    »Was?«, fragte Backman.
    »Na, was sie geschrien hat«, erklärte Elis Bengtsson. »Es gab einige, die meinten, es wäre so eine Art Botschaft gewe-
sen.«
    »Eine Botschaft?«, fragte Barbarotti und runzelte die Stirn. »Also, was hat sie gerufen … oder geschrien?«
    »Etwas mit einem langen ööö«, sagte Elis Bengtsson. »Das habe ich jedenfalls gehört, ich war ja hundert Meter entfernt. Oder noch mehr. Und die, die näher dran waren, die waren derselben Meinung.«
    »Was kann es denn beispielsweise gewesen sein?«, fragte Backman.
    Elis Bengtsson gönnte sich erneut eine Kunstpause.
    »Einige haben behauptet, sie hätte ›Töten!‹ gerufen. Oder ›ich werde getötet!‹.«
    »Aha?«
    »Während andere meinten, sie hätte ›Möööörder!‹ gerufen.«
    »Mörder?«, fragte Barbarotti wieder nach.
    »Ja, Mörder«, bestätigte Elis Bengtsson und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »Dass sie es sozusagen geschrien hat, um mitzuteilen, dass sie ermordet wurde. Als Letztes, was sie getan hat.«
    Barbarotti und Backman wechselten Blicke und schwiegen. Elis Bengtsson gelang es, den obersten Hemdenknopf zu öffnen.
    »Aber den Namen des Mörders hat sie nicht gerufen?«, fragte Backman.
    Elis Bengtsson schüttelte den Kopf. »Nein, das hat sie nicht. Das wäre natürlich schlauer gewesen, aber in so einer Lage ist man vielleicht nicht so schlau.«
    »Wahrscheinlich nicht«, stimmte Barbarotti zu. »Wissen Sie, ob es noch andere Dinge gab, die darauf hindeuteten, dass sie jemand hinuntergestoßen hat?«
    »Nicht soweit ich weiß«, sagte Elis Bengtsson. »Da müsst ihr schon in den Ordnern nachgucken. Da war ein Kommissar, der hieß Sandlin, ich habe mehrere Male mit ihm gesprochen … wir hatten auch den gleichen Hund. Einen Vorsteher.«
    »Wir werden jedes Wort durchgehen«, versicherte Barbarotti. »Sandlin lebt leider nicht mehr.«
    »Ich weiß. Sein Hund hieß Birger, daran erinnere ich mich noch. Blöder Name für einen Hund. Meiner hieß Madame Curie. Ich taufe sie immer nach bekannten Persönlichkeiten.«
    »Keine dumme Idee«, sagte Eva Backman. »Wollen wir jetzt darüber sprechen, was gestern passiert ist?«
    Elis Bengtsson brauchte zehn Minuten, um von seinem makabren Fund in der Gänseschlucht zu berichten.
    Er war auf seiner täglichen Runde mit Luther unterwegs gewesen. Sie waren zu Hause – am Kållviks Hof in Rönninge – nach dem Mittagessen und den Nachrichten aufgebrochen, ungefähr fünf nach eins. Luther war nach zwanzig Minuten verschwunden, auf Höhe der Überlandleitungen, und eine halbe Stunde später hörte er ihn Laut geben, während er sich für ein paar Minuten oben auf der anderen Seite der Schlucht zum Ausruhen hingesetzt hatte. Der Hund hatte unten am Fuß des Steilhangs den toten Körper bewacht, ihn aber nicht angerührt. Elis Bengtsson hatte sofort zu Hause seine Frau angerufen, die wiederum die Polizei benachrichtigt hatte. Er selbst war hinuntergeklettert und hatte am Fundort gewartet, bis die Polizei – in Form eines Streifenwagens mit Olsén und Widerberg – sowie Arzt und Sanitäter kurz nach drei eingetroffen war. Es hatte eine Weile gedauert, bis sie hingefunden hatten, ohne Handy hätte es wohl noch länger gedauert. Nachdem er mit der Polizei und dem Arzt, einem Doktor Rislund, gesprochen hatte, hatte Elis Bengtsson dann die Schlucht verlassen. Da war es bereits Viertel nach vier.
    »Haben Sie Ihrer Aussage noch etwas hinzuzufügen?«, fragte Barbarotti, nachdem sie alles aufgenommen hatten. »Wir werden sicher bei Gelegenheit noch einmal auf Sie zurückkommen.«
    »Ja, noch eins«, hatte Elis Bengtsson geantwortet. »Genau genommen ist es nicht das zweite Mal, dass an diesem Ort etwas passiert. Vor hundertfünfzig Jahren haben eine Mutter

Weitere Kostenlose Bücher