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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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und ihr Kind dort oben auch schon ihr Leben verloren. Und noch länger zurück war es ein Todesfelsen. Diese Schlucht ist verflucht, darüber solltet ihr euch im Klaren sein.«
    »Wir danken auch für diese Information«, sagte Barbarotti und schaltete das Aufnahmegerät aus. »Vielen Dank, Inspektorin Backman zeigt Ihnen, wo es hinausgeht.«
    »Nicht nötig«, sagte Elis Bengtsson. »Ich finde schon selbst hinaus.«

7
    R ickard Berglund blieb an einem Blumenladen in der Kyrkogårdsgatan stehen und kaufte drei gelbe Rosen.
    »Etwas nervös?«, fragte der Verkäufer, als er das Wechselgeld entgegennahm und zwei Ein-Kronen-Stücke auf den Boden fallen ließ.
    Rickard hob die Münzen auf und errötete. Die Anspielung war eindeutig. Der Verkäufer nahm an, dass die Rosen für ein Mädchen waren. Und warum sollte er das nicht glauben? Es war Samstagnachmittag, und Rickard hatte sich fein angezogen – zumindest ein wenig, er hatte sich sogar Rasierwasser auf die Wangen gespritzt, was bei ihm nicht üblich war.
    »Ja, ein bisschen.« Er lachte und versuchte mitzuspielen. »Man weiß ja nie.«
    »Das erste Treffen?«
    »In gewisser Weise schon.«
    Er nickte zum Abschied und eilte aus dem Laden. In gewisser Weise? , dachte er. Was sollte das denn bedeuten?
    Er schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es noch zu früh war. Beschloss, vorher durch den Englischen Park und über den Friedhof zu gehen. Um fünf, hatte Tomas gesagt. Komm gegen fünf, wir wollen zunächst ein paar Stunden draußen sitzen.
    Es war erst halb. Rickard war schon vorher zu einem kürzeren Besuch in der Sibyllegatan gewesen und kannte den Weg; er würde dafür nicht mehr als fünfzehn, zwanzig Minuten brauchen. Zu früh zu kommen war streberhaft, und Rickard Berglund wollte auf keinen Fall als Streber dastehen. Heute nicht und auch sonst nie.
    Er durchquerte den Park, ging auf die Philologen zu. Das Gras unter den alten Ulmen und Lärchen wuchs einen halben Meter hoch, offensichtlich machte sich niemand die Mühe, es im Sommer zu mähen. Es gab Vieles, was während der Sommermonate in Uppsala stillstand, das hatte er schon begriffen. Noch war es zwei Wochen hin, bis die Studenten zurückkommen und die Stadt in Besitz nehmen würden, heute war der
16. August, ein warmer, schöner Spätsommersamstag, und als er die alte Eisenpforte zum Friedhof öffnete, dachte er, dass das Leben nicht viel besser werden konnte. Zumindest nicht, wenn man sich damit begnügte, das Äußere zu betrachten.
    Zwanzig Jahre alt, auf dem Weg zu einem Krebsessen mit
guten Freunden. Drei Rosen in der Hand. Was wollte man mehr?
    Aber sie waren nicht rot, das hatte der Blumenverkäufer
sicher bemerkt. Wenn es sich um Blumen für ein Treffen mit einem Mädchen gehandelt hätte, dann wären sie nicht gelb gewesen. Oder doch?, überlegte Rickard Berglund. Gelbe Rosen hatten nichts mit Romantik zu tun.
    Er seufzte. Das Mädchenproblem kam und ging. Manchmal kümmerte er sich gar nicht darum, manchmal konnte er spüren, wie es ihm den Atem nahm. Zwanzig Jahre alt zu sein und noch unschuldig, das war nicht normal; nach zwei Monaten in der Unteroffiziersschule der Armee hatte er unter vielem anderem auch das gelernt. Zwar gab es den einen oder anderen unter den übrigen Rekruten, der sich in der gleichen misslichen Lage wie er befand, das war ihm schon klar. Aber sie waren in der Minderheit, eine himmelschreiende, heimliche und peinliche Minderheit. Die meisten seiner Kameraden hatten daheim ihre Freundin, einige lernten junge Frauen in Uppsala kennen – im Schwesternwohnheim auf der anderen Seite des Dag Hammarskjöld Wegs beispielsweise, das war eine bequeme und elegante Lösung für alle Beteiligten. Andere nahmen gleich beides wahr. Und alle schienen den Tag herbeizusehnen, an dem zehntausend Studenten und Studentinnen die Stadt erobern würden.
    Mädchen? Frauen? Zehntausend?
    Versuchungen?
    Sweden, the country of free love. Staffan, einer der Jungs auf der Bude, war einen Monat, bevor er eingezogen worden war, in London gewesen, und er behauptete, dass man draußen in Europa so über das alte Svedala redete. Das Land der freien Liebe? Mein Gott, dachte Rickard Berglund, der selbst weder den Film 491 noch andere Schwedenfilme wie Ich bin neugierig gesehen hatte. Nehme ich eigentlich an der Wirklichkeit teil, oder was ist hier los?
    Er schob diese bohrenden Gedanken beiseite, blieb vor einem unscheinbaren kleinen Grab stehen und las die Inschrift auf dem Stein.
    Henrik

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