Einsamen
vielleicht?
Und zu ihrer noch größeren beschämten Verwunderung musste sie sich eingestehen, dass sie hoffte, dass Anna dankend ablehnen würde. Doch das tat sie nicht. Sie schaute auf die Uhr und sagte Ja. Sie hatte noch eine Stunde, bevor sie sich mit Rickard treffen wollte, warum also nicht?
»Wie geht es euch?«, fragte sie, nachdem Kaffee und Zimtschnecken auf dem Tisch standen.
»Gut«, antwortete Anna.
Genau das ist das Problem mit Anna, dachte Gunilla. Sie ergreift nie von allein die Initiative für ein Gespräch. Man selbst war gezwungen, dafür zu sorgen, dass es weiterlief. Musste neue Scheite aufs Feuer legen. Wenn man nicht immer wieder neue Fäden spann, Fragen stellte oder Behauptungen von sich gab, dann wurde es häufig sehr still.
Das konnte wie eine leichte Anklage erscheinen, der Gedanke war ihr schon früher gekommen. Denn es war schwer, dieses Schweigen auszuhalten, das hatte ihr Tomas während ihrer eigenen schwierigen Periode im letzten Jahr erklärt. In den Monaten in Ulleråker, dieser schweren, düsteren Zeit.
Ich habe das Gefühl, dass du mich für alles verantwortlich machst, hatte er einmal gesagt. Das ist nicht gerecht.
So schlimm war es natürlich nicht, zumindest nicht, was sie selbst während ihrer Krankheitsphase betraf, und auch nicht, was Anna Berglund betraf, aber schweigende Menschen bekamen schnell die Oberhand, das war nicht zu leugnen.
»Und das Studium?«
Sie zeigte auf das Buch, das Anna aus der Plastiktüte genommen und neben ihre Kaffeetasse auf den Tisch gelegt hatte.
»Ja.«
»Ist jetzt dein letztes Jahr, oder?«
Anna nickte und biss von ihrer Zimtschnecke ab.
»Ich habe angefangen, Spanisch zu studieren«, informierte Gunilla ihre Tischnachbarin. »Es macht Spaß, eine neue Sprache zu lernen, gerade am Anfang lernt man unglaublich schnell. Und geht es Rickard auch gut?«
»Ja. Hast du etwas von Maria gehört?«
Jedenfalls eine Frage. Gunilla zuckte mit den Schultern. »Nicht besonders viel. Tomas versucht, Kontakt mit ihr zu halten, aber das ist nicht so einfach. Die beiden sind nun einmal, wie sie sind, Maria genau wie Germund. Und das ist natürlich nicht besser geworden … wir haben darüber gesprochen, ob wir uns nicht mal wieder zu sechst treffen wollen. Aber vielleicht warten wir lieber noch ein bisschen damit?«
Anna nickte.
»Ich habe deine Artikel über die Reise in Dagens Nyheter gelesen«, fuhr Gunilla fort. »Die waren schön geschrieben. Nur gut, dass du in der Lage warst, das zu tun, wenn man bedenkt … ja, eben alles.«
»Wenn man Journalistin werden will, dann muss man schreiben können.«
»Ja, das ist klar.«
Eine Weile schwiegen beide.
»Tomas hat jedenfalls das mit dem Bus geregelt. Er will nächstes Wochenende nach Norrland fahren.«
»Davon habe ich gehört«, sagte Anna. »Rickard hat es mir erzählt.«
»Wir müssen sehen, wie es läuft. Er rechnet mit einer Fahrt alle vierzehn Tage. Wenn Germund mitmacht, könnten sie jedes Wochenende fahren. Bis Weihnachten. Wäre doch nicht schlecht, wenn wir für unsere Firma ein bisschen Geld verdienen.«
»Unsere Firma, ja«, sagte Anna.
Gunilla wartete, aber es kam nichts mehr.
»Mit Osteuropa wird es natürlich nichts. Im nächsten Sommer, meine ich. Aber damit hat wohl keiner von uns gerechnet, oder?«
Anna schüttelte den Kopf. Gunilla trank von ihrem Kaffee und beschloss, auch eine Weile nichts zu sagen. Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und richtete ihren Blick aus dem Fenster. Draußen hatte es angefangen zu regnen. Die Leute hasteten über den Bürgersteig, sie sahen alles andere als fröhlich aus. Samstagsstress, dachte sie. Genervte Menschen, die nur ins Zentrum gefahren sind, um Geld für Dinge loszuwerden, von denen sie glauben, dass sie sie brauchen. Eine Mutter mit einem halb in Plastik gehüllten Kinderwagen blieb direkt vor dem Fenster stehen, hob ihr schreiendes Kind aus dem Wagen und versuchte herauszukriegen, was nicht in Ordnung war. So sah es zumindest aus, sie drehte und wendete das Kleine, bevor sie es wieder in den Wagen stopfte.
Das könnte ich sein, dachte Gunilla plötzlich, und zu ihrer Verwunderung merkte sie, dass der Gedanke nicht weh tat. Wenn auch sonst nichts Vernünftiges in der letzten Zeit passiert war, so konnte sie zumindest ein Baby anschauen, ohne einen Kloß im Hals zu kriegen. Jedenfalls wenn es unzufrieden war und schrie. Immerhin etwas.
»Ich muss jetzt gehen«, sagte Anna. »Mir ist eingefallen, dass ich noch etwas zu
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