Einsamen
und dass seine Frau das nicht interessierte. Das war zumindest, was er behauptet hatte. Eklig, dachte Eva Backman, aber nicht strafbar.
Sein Alibi für Samstag hing von dieser Frau ab. Vielleicht würde sie ihn so oder so decken, unabhängig davon, ob sie sich nun getroffen hatten oder nicht. Vielleicht war sie bereit, ihm zuliebe zu lügen.
Aber welchen Grund sollte Tomas Winckler gehabt haben, Germund Grooth zu töten?
Welchen Grund sollte er gehabt haben, vor fünfunddreißig Jahren seine eigene Schwester zu töten?
Ich habe nicht den geringsten Schimmer, dachte Backman und trank von ihrem Tee. Und was er da von der Gruppe erzählte, was hatte das eigentlich für eine Bedeutung? Trotz allem kann etwas dahinterstecken, dachte sie. Die Gruppe hatte sich nach dieser Reise durch Osteuropa getrennt … was hatte er gesagt? Im Sommer 1972? Das war dann drei Jahre vor den Ereignissen in der Gänseschlucht.
Und dieses Treffen auf dem Pfarrhof war also kein großer Erfolg gewesen, wie er behauptet hatte. Die alten Freunde hatten sich auseinandergelebt. Die Uppsalazeit war schon lange vorbei. Und sonst?, fragte Backman sich. War es nicht so, dass er alles bagatellisierte? Zugab, dass die Stimmung nicht gut war, um etwas viel Schlimmeres zu verbergen?
Konnte es sich so verhalten?
Spekulationen, dachte sie. Nichts als Spekulationen.
Aber wenn die Fakten fehlen, dann bleiben nur sie.
Vielleicht hatte ich doch ganz am Anfang Recht, überlegte sie dann. Einer ist gefallen, und einer ist gesprungen. Warum sitze ich dann hier und zerbreche mir meinen armen Kopf?
Ja, natürlich, um nicht an Sahlgrenska denken zu müssen.
Sie ging dazu über, sich mit Lund zu beschäftigen. Das war ein anderer Strich durch die Rechnung. Sie hatte mit Inspektor Ribbing gesprochen, und der hatte erklärt, dass Kristin Pedersen nicht wie verabredet aufgetaucht war. Sie hatten sie unter ihrer Kopenhagener Nummer wiederholte Male angerufen, aber niemanden erreicht.
Vielleicht ist das nicht nur ein Strich durch die Rechnung, korrigierte Eva Backman sich selbst. Vielleicht ist das mehr? Etwas, das etwas bedeutete. Auf jeden Fall sollten die Kollegen unten in Skåne am nächsten Tag einen erneuten Versuch unternehmen, vermutlich mit Hilfe der Polizei auf der anderen Seite des Sunds.
Aber mit einigen Arbeitskollegen von Dozent Grooth hatten sie sprechen können. Mit einem Professor Lindskog und einem Assistenten Törnell. Beide hatten Grooth lange und gut gekannt, und beide hatten in groben Zügen das Bild von ihm bestätigt, dass sie selbst bisher gehabt hatten.
Ein einsamer Wolf. Tüchtig, und als Mitarbeiter am Physikalischen Institut war nichts an ihm auszusetzen, aber es gab niemanden, der ihn näher kannte oder mit ihm privat zu tun hatte. Grooth hatte es vorgezogen, für sich zu sein, und in der akademischen Welt wurde so etwas akzeptiert.
Ribbing hatte die Aufnahmen der beiden Gespräche überspielt, aber sie hatte sie sich noch nicht angehört. Hatte sich bis auf Weiteres mit seiner Zusammenfassung am Telefon begnügt.
Ja, das ist wohl alles, dachte Eva Backman und sah auf die Uhr. Viertel vor elf, die Müdigkeit war trotz allem auf dem Weg, den Sieg zu erringen. Sie schob Sandlins Ordner beiseite und verließ den Schreibtisch. Begnügte sich mit einer Katzenwäsche und ging zu Bett.
Die unscharfen, schwer zu begreifenden Bilder von Barbarotti und Marianne in einem Krankenzimmer im Sahlgrenska kamen zurück, sobald sie im Schlafzimmer das Licht gelöscht hatte. Mit großer Kraftanstrengung gelang es ihr, sie in die nur schwach erhellte Ecke zu schieben.
Widmete stattdessen noch einen letzten Gedanken dem Fall, bevor es dem Schlaf gelang, sie zu übermannen.
Es gibt eine verborgene Geschichte dahinter. Das musste so sein. Eine Geschichte, in deren Nähe wir bis jetzt noch nicht einmal gekommen sind. Genau so ist es.
49
A n der Kasse im Lundequistschen Buchladen stieß Gunilla auf Anna. Beide hatten Bücher gekauft. Anna irgendwelche Fachliteratur, sie selbst ein Taschenbuch von Georges Simenon, sie wollte es einer neuen Freundin schenken, die mit ihr Spanisch studierte.
Es war Samstag, der 21. Oktober, und beide konstatierten, dass sie sich fast zwei Monate nicht gesehen hatten. Mit einer Art fast beschämter Verwunderung stellten sie das fest. Zumindest war es so, was Gunilla betraf.
Und das war wahrscheinlich auch der Grund, warum sie Anna fragte, ob sie nicht Zeit für eine Tasse Kaffee habe. Bei Günther gleich um die Ecke
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