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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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zusammengesetzt hatten und anfingen, Chili con carne mit Parador zu essen. Parador war sowohl im Glas als auch im Chili. Es war etwas problematisch verlaufen, wie er behauptete, und er breitete dabei eine Menge Papier auf dem Tisch aus, aber das war eigentlich nur gut so, denn so brauchten wir keinen Gewinn bei der Steuer anzugeben. Und wir konnten den Verlust dieses Jahres mit dem Gewinn im nächsten verrechnen.
    Ja, so machte er eine ganze Weile weiter, und dann unterschrieben wir alle möglichen Papiere. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass es sicher gut war, dass wir uns solchen neutralen Dingen widmen konnten. Wir erwähnten Timisoara nicht mit einem Wort, es schien, als hätte es sich nie ereignet, als wären wir niemals überhaupt zusammen verreist, aber ich spürte, dass es den anderen schwerfiel, mir in die Augen zu sehen. Besonders Gunilla natürlich, sie hat mir im Laufe des Herbstes jede Menge Briefe geschrieben, ich habe ungefähr die Hälfte davon gelesen, aber nicht einen einzigen beantwortet.
    Auf jeden Fall, sagte Tomas, wäre es gut, wenn ihr ein paar Tausender in die Firma stecken könntet. Also noch zusätzlich. Wir wollten uns dieses Jahr voll und ganz auf die Norrlandsfahrten konzentrieren, er kannte einen Typen, der mindestens jedes zweite Wochenende fahren wollte, wenn also alles gut lief, dann würden wir noch vor dem Sommer Geld erwirtschaften. Er fragte Germund, ob er Lust habe, weiterhin zu fahren, und Germund antwortete, dass er am liebsten nie wieder einen Fuß in diesen blöden Bus setzen würde.
    Rickard erklärte, dass Anna und er wohl kaum zweitausend Kronen würden zusammenkratzen können, schon gar nicht, weil sie jetzt anfangen mussten, den Kredit zurückzuzahlen, den sie für den Buskauf aufgenommen hatten, aber Tomas und er beschlossen, diese Angelegenheit unter vier Augen zu besprechen.
    Wir blieben höchstens zwei Stunden. Germund war nervös und wütend, als wir nach Hause trotteten, ich versuchte herauszubekommen, was mit ihm los war, aber er wollte nicht darüber reden. Ich ließ ihn in Frieden, wir haben Respekt davor, wenn einer das Bedürfnis danach hat. Das Grundbedürfnis des Menschen ist die Einsamkeit, das ist nichts Neues.
    Träume sind eine Plage. Alles, was ich im Laufe des Tages aufgebaut habe, kann in der Nacht wieder zusammenbrechen. Grimaux schreibt auch über diese Erfahrung. Es spielt keine Rolle, welche noch so vernünftigen Gedanken wir ausbrüten, wenn wir wach sind – wir können mehrere Tausend Kilometer auf unserer Reise zur seelischen Heilung zurücklegen, aber wenn die Träume uns überfallen, dann ist alles Erreichte dahin.
    Ich habe sie wieder über mir. Ihr Keuchen. Ihre verschwitzten Körper und ihre dreckigen Schwänze. Ihr Bohren in mir. Ich schaffe es nicht einmal aufzuwachen, jedes Mal ist mir klar, dass es ein Traum ist, aber es ist gleichzeitig noch etwas anderes. Ein altes Stück wache Wirklichkeit, die auf die gleiche Art zu mir gehört wie eine Hand oder ein Fuß und die ich nicht so einfach abhacken kann. Da es ja wirklich passiert ist, ist es eigentlich kein Traum, es ist ein Teil meiner mentalen Landschaft, und es scheint gewollt zu sein, dass ich mich in regelmäßigen Abständen dort aufhalte. Dass ich sie in bestimmten Nächten durchwandere, damit ich es nicht vergesse.
    Das letzte Gedicht, das Grimaux schrieb, bevor er sich das Leben nahm – datiert auf zwei Tage vor seinem Selbstmord –, handelt davon, wie er des Nachts von seiner Frau und seiner Tochter Besuch bekommt, jede Nacht, mehrere Wochen lang, sie sind in höchstem Grade tot, befinden sich im Zustand fortgeschrittener Verwesung – und wie er zum Schluss versucht, sie noch einmal zu töten, um endlich ihren Besuchen zu entgehen.
    Ich habe mir manchmal überlegt, dass ich zurückfahren und meine Vergewaltiger töten sollte, aber wie könnte ich sie finden? Wie könnte ich das bewerkstelligen? Die Götter mögen wissen, dass ich nicht eine Sekunde zögern würde, bekäme ich die Chance. Bestimmte Entscheidungen im Leben sind einfach.
    Ich habe eigentlich nur eine Medizin gegen diese Nächte: Wenn ich ein wenig Haschisch rauche vor dem Einschlafen, dann tauchen sie nicht auf. Zumindest scheint es so zu sein, ich habe es drei Abende lang getestet, und es hat funktioniert.
    Germund mag den Geruch nicht, aber er findet sich damit ab. Und er raucht nie selbst, er sagt, dass er davon nur dumm im Kopf wird.
    In einer Woche ist Walpurgisnacht, wir

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