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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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habe. Ich habe also sowohl Céline wie auch Dagerman aufgegeben. Ich glaube nicht, dass mein Seminarleiter, Dozent Björnell, viel von Powys verstanden hat, aber er hat mir jedenfalls die höchste Punktzahl gegeben. Eine glänzende Arbeit, hat er gesagt. Viel glänzender, als du glaubst, dachte ich.
    Jetzt im Frühling gehe ich in den D-Kursus. Dafür gibt es zweimal fünf Punkte, den Roman des 19. und den des 20. Jahrhunderts, das ist eine ausgezeichnete Beschäftigung für einen Spatz, der zu Boden gefallen ist. Man liest einen Roman, trifft sich einmal in der Woche und analysiert ihn, bis nichts mehr von ihm übrig bleibt, das ist alles. Als ich heute auf dem Heimweg über den Alten Friedhof gegangen bin, konnte ich spüren, wie sich Hjalmar Söderberg in seinem Grab umdrehte; es war nie von ihm gewollt, dass Das ernsthafte Spiel in dieser Form behandelt werden sollte. Ich sagte ihm, dass ich ganz seiner Meinung sei, es aber keinen Zweck habe, sich darüber aufzuregen.
    Ja, ich weiß, Söderberg ist in Stockholm begraben. Das war nur so ein Gedanke.
    Ich arbeite außerdem an einer neuen Hausarbeit. Über den französischen Surrealisten Grimaux, der 1930 den PSCP-Preis bekam und sich drei Jahre später in New York das Leben nahm. Was nicht am Preis lag, es lag daran, dass er seine Frau und seine Tochter bei einem Schiffsunglück vor Collioure verloren hatte. Am liebsten würde ich mich nur um das kümmern, was er in New York geschrieben hat – es handelt sich dabei um gut zwanzig düstere, sehr klarsichtige Gedichte über die eigentliche Struktur des Lebens –, aber mein Mentor sagt, das sei zu wenig Material.
    Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass es Leute gibt, die über zehn Zeilen von Racine oder Shakespeare promoviert haben, aber auf dem Ohr war er taub. Er behauptet, dass es einen Unterschied zwischen Dichter und Dichter gibt. Zwischen Forscher und Forscher auch, wird er wohl im Stillen hinzugefügt haben.
    Germund studiert immer noch Philosophie. Theoretische Philosophie, die handelt in erster Linie von Mathematik und Logik, wasserdichte Systeme. Wir haben heute über unser altes Steckenpferd gesprochen: die reine Mathematik und die physische Liebe.
    Gehst du zu anderen zum Vögeln?, habe ich ihn gefragt.
    Germund sagte, dass er darüber möglichst nicht sprechen wolle.
    Ich habe jedes Verständnis dafür, sagte ich. Falls du es tust.
    Okay, räumte Germund ein. Es ist vorgekommen.
    Wenn wir wieder anfangen, dann will ich, dass du damit aufhörst, sagte ich.
    Das versteht sich ja wohl von selbst, sagte Germund. Ich kann auch gleich damit aufhören, wenn du willst.
    Wenn du mich außen vor lässt, kannst du weitermachen, sagte ich. Aber ich will nicht merken, wenn du bei einer anderen gewesen bist. Komm niemals nach Hause und stinke nach Fotze, dann haue ich ab.
    Ich sah, dass ihn das traf. Er lief eine ganze Weile im Zimmer herum und fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Er war schön. Es hätte eine Szene aus einem alten film noir sein können. Schwermütiger junger Mann versucht einen Entschluss zu fassen.
    Ich dachte, dass ich ihn liebe.
    Das denke ich in letzter Zeit immer wieder.
    Nachdem er genug hin und her gelaufen war, blieb er stehen und schaute mich mit einem brennenden Blick an. Ich glaube, John Cowper Powys hätte es jedenfalls so ausgedrückt. Brennend.
    Ich will nie ohne dich sein, Maria, sagte er. Alle anderen Frauen sind im Vergleich zu dir wie lauwarmes Wasser.
    Ich überlegte, ob er deshalb herumgelaufen war. Um sich
genau diese Formulierung auszudenken. Auf jeden Fall gefiel sie mir, und ich sagte, sollte ich jemals wieder beschließen, mit jemandem zu vögeln, dann nur mit ihm.
    Ich hatte das Gefühl, dass wir an diesem Abend einen Pakt schlossen.
    Natürlich ohne Worte.
    Nur einmal nach dem Sommer kamen wir alle wieder zusammen.
    Das war vor ein paar Monaten, Ende Januar oder vielleicht war es auch schon Anfang Februar. Bei Tomas und Gunilla natürlich, in der Sibyllegatan. Ich war kurz davor, eine Grippe oder so etwas zu simulieren und Germund allein gehen zu lassen, aber das wäre zu egoistisch gewesen. Germund war an dieser Gesellschaft nicht mehr interessiert als ich. So war es nun einmal gekommen.
    Der Grund für unser Treffen war dieses blöde Busunternehmen. Germund und ich besitzen ja ein Viertel davon, und als wir damit anfingen, war geplant, dass wir mit einem Gewinn abschließen sollten. So ist es nicht gekommen, wie mein goldiger Bruder erklärte, nachdem wir uns

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