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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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versicherte Barbarotti. »Vielleicht fahren wir schon heute Nachmittag zurück nach Kymlinge. Sie haben hier zu wenig Platz. Aber sie wird mehrere Wochen lang in der Reha bleiben müssen.«
    »Natürlich muss sie das«, sagte Backman. »Weißt du, dass …?«
    »Was?«
    »Weißt du, dass ich in meinem ganzen Leben noch nie solche Angst gehabt habe wie letzte Nacht? Ich bin um drei Uhr aufgewacht und habe nicht wieder einschlafen können. Es war, als ginge es um meine eigenen Kinder. Wenn es … nein, ich weiß nicht.«
    Eine Weile schwiegen beide, und Barbarotti dachte, dass der Herrgott sicher auf seinem Wolkenkissen lag und sie betrachtete. Oder zumindest ihn.
    »Ja, ich weiß«, sagte er. »Ich erinnere mich.«
    »Was?«, fragte Eva Backman.
    »Entschuldige, ich habe nicht mit dir gesprochen«, sagte Barbarotti.
    Er strich ihr mit den Fingerrücken über die Wange. Sie öffnete die Augen und sah ihn an.
    Öffnete auch ein wenig den Mund. Als wollte sie etwas sagen. Aber es kam nichts, natürlich nicht.
    »Wir fahren bald zurück nach Kymlinge«, sagte er. »In einer Stunde, meinen die Ärzte.«
    Sie schloss die Augen und seufzte schwer. Er fasste ihre Hand. Drückte sie leicht und meinte zu spüren, dass sie den Druck erwiderte.
    »Ich weiß, dass du noch nicht reden kannst«, sagte er. »Aber du hörst doch, was ich sage, nicht wahr?«
    Es konnte sein, dass sie nickte.
    »Auf jeden Fall will ich dir sagen, dass ich dich liebe und dass ich dich nach dem hier auf Händen tragen werde.«
    Sie öffnete ein Auge und schloss es wieder.
    »Wir werden zusammenleben, bis wir hundert sind, und nicht eine Minute wird vergeudet sein.«
    Sie seufzte.
    »Bis Weihnachten brauchst du keinen Handschlag im Haushalt zu machen. Ich habe mit den Kindern gesprochen, und wir werden einen Plan aufstellen. Du musst nur daliegen, dich ausruhen und wieder gesund werden. Wir werden dich Tag und Nacht pflegen. Hörst du, was ich sage?«
    Sie lächelte.

51
    E s waltet eine besondere Vorsehung über den Fall eines Sperlings.
    Ich glaube, das hat Shakespeare geschrieben, aber es stimmt nicht. Zumindest nicht in meinem Fall. Zwei Mal ist mein Leben implodiert, ja, genau dieses Wort soll es sein – implodiert. Das erste Mal, als ich als Kind mit dem Kopf aufschlug und dadurch eine Persönlichkeitsveränderung durchmachte. Das zweite Mal, als ich von vier Soldaten in Timisoara vergewaltigt wurde.
    Ich bin froh, dass ich mich dazu entschieden hatte, nicht zu sprechen. Das war eine instinktive Tat, ein Verteidigungsmechanismus. Wenn man nicht spricht, dann wird man auch nicht angesprochen. Vielleicht anfangs, aber nach einer Weile geben sie auf.
    Ich wollte nur in Ruhe gelassen werden, und das will ich immer noch. Und ich habe absolut keinen Bedarf, einen der anderen zu treffen. Wenn es etwas gibt, was ich wirklich nicht ertragen kann, dann den Versuch, das, was passiert ist, zu analysieren. Ich wäre gezwungen, in ihrer hilflosen Fürsorge und ihren linkischen Versuchen, etwas wieder in Ordnung zu bringen, herumzuschwimmen. Ihnen zu helfen, mit ihren eigenen Krämpfen zurechtzukommen. Aber das funktioniert einfach nicht. Sie saßen dort wie gefangene, verrückte Ratten, zitternd und verschreckt und taten sich selbst schrecklich leid. Germund und ich waren die Einzigen, die gehandelt haben. Die überhaupt Widerstand geleistet und versucht haben, etwas zu erreichen.
    Ich schäme mich für sie, habe mich seitdem darüber lustig gemacht. Das würden sie nie verstehen, und ich denke gar nicht daran, überhaupt nur zu versuchen, ihnen das zu erklären. Ich will sie nicht wiedersehen. Ich weiß, dass es nicht vollkommen zu vermeiden sein wird, aber lasse es erst einmal sacken. Will Abstand gewinnen, auch von ihnen.
    Germund versteht das ohne Worte, unsere Beziehung ist gleichzeitig stärker und zerbrechlicher geworden. Das Zerbrechliche beruht darauf, dass ich nicht mehr lieben kann, und ich weiß selbst nicht, ob das jemals vorbeigehen wird. Wir haben es ein paar Mal versucht, aber jedes Mal steigt in mir dabei so ein Ekel hoch, dass ich nur noch kotzen will. Ich muss bis auf Weiteres auf diesen Teil des Lebens verzichten.
    Wie lange?, will Germund wissen.
    Woher zum Teufel soll ich das wissen?, antworte ich.
    Ich rede wieder, natürlich. Nicht viel, nur das, was nötig ist. Ich habe im Herbst den C-Kursus in Literaturwissenschaften belegt, da brauchte ich nicht viel zu sagen. Eigentlich nur, als ich meine Hausarbeit über John Cowper Powys vorgestellt

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