Einsamen
Marianne, meine ich.«
Barbarotti stand auf. »Ich rufe Berglund an und frage, wann ein Gespräch stattfinden kann. Ist doch nur gut, wenn ich es mache, ich habe ja letztes Mal auch mit ihm geredet. Vielleicht will er bis nach der Beerdigung warten, wenn er sich ein wenig gefasst hat?«
»Vielleicht ja«, sage Backman. »Und du willst also wieder arbeiten?«
»Es ist sinnvoller, dass ich frei nehme, wenn sie nach Hause kommt«, sagte Barbarotti.
Backman nickte.
»Sara hat beschlossen, eine Weile bei uns zu wohnen. Ich glaube, es läuft nicht so gut mit Jorge. Deshalb passt es in vielerlei Hinsicht hervorragend.«
»Wie lange haben die beiden zusammengewohnt?«, fragte Backman.
»So ungefähr zwei Jahre«, antwortete Barbarotti. »Schade ist es schon. Ich mag ihn.«
»Aber du bist nicht derjenige, der mit ihm zusammenwohnen soll.«
»Nein, da stimme ich dir vollkommen zu. War sonst noch was, ich wollte noch einmal im Krankenhaus vorbeischauen?«
»Ja«, sagte Backman und stand auf. »Da war noch was. Grüße bitte Marianne von mir und sag ihr, dass sie wieder gesund werden wird. Aber sie braucht sich damit überhaupt nicht zu beeilen. Ich werde sie in ein paar Tagen besuchen … und nicht nur wegen der Sache, über die wir gesprochen haben.«
»Ich werde es übermitteln«, versprach Gunnar Barbarotti. »Und Grüße an den Chef.«
»Ich werde sie übermitteln«, sagte Backman.
53
E s besteht ein wesentlicher Unterschied darin, nach dem Glück zu streben oder nach einem Sinn«, konstatierte Rufus Svensson und kratzte sich am Bart. »Darüber müssen wir uns klar sein. Es ist einfacher, nach dem Glück zu streben, aber wir gehören zu der verrückten Schar, die beschlossen hat, nach einem Sinn zu suchen. Korrigiert mich, wenn ich mich irre. Nein, ich irre mich nicht, das weiß ich, aber ihr dürft trotzdem etwas dazu sagen.«
Sie saßen in Ofvandahls Konditorei. Ganz hinten im verqualmten Raum, es war in den letzten Monaten so etwas wie ihr Stammplatz geworden. Der ovale Tisch und das Sofa unter dem Portrait des alten Konditorpoeten selbst. Es war halb sieben Uhr abends, sie saßen bereits hier, seit Professor Hallencreutz’ Vorlesung um vier Uhr beendet gewesen war. Rickard Berglund holte seine vierte Tasse Kaffee, vielleicht war es auch schon die fünfte, und dachte, dass er bald nach Hause gehen sollte.
Andererseits gefiel es ihm, hier zu sitzen. Sie waren zu viert. Neben ihm selbst und Rufus Svensson saßen noch Matti Kolmikoski und Sivert Grahn mit am Tisch. Sie studierten jetzt seit fast sechs Semestern gemeinsam Theologie, aber erst im letzten Semester hatten sie angefangen, sich regelmäßiger zu treffen. Worauf das auch immer beruhen mochte. Rickard hatte bereits hin und wieder darüber nachgedacht. Warum er bislang in Uppsala so wenig am Studentenleben teilgenommen hatte. Warum er nicht mehr Menschen traf. Nun ja, diese Bande hier hat wahrscheinlich auch nicht besonders viel mit dem Studentenleben herkömmlicher Meinung zu tun, dachte er. Vier zukünftige Pfarrer. Das ganze Quartett war Mitglied der Vereinigung der Skånelander, was bedeutete, dass man fünfhundert Kronen sparte und dass einem die anderen Vereinigungen verwehrt blieben.
Was wiederum bedeutete, dass man noch sehr viel mehr sparte. Denn in eine Vereinigung zu gehen, das bedeutete in erster Linie, dass man sich besoff, und auch wenn die Preise für Bier, Wein und Schnaps nur einen Bruchteil dessen ausmachten, was es in einem normalen Restaurant kostete, so war das Vergnügen doch nicht umsonst.
Was Rickard betraf, so war es eine einfache Entscheidung gewesen, und Anna hatte ihn unterstützt. Sie war östlich des Flusses geboren und aufgewachsen, im nichtakademischen Uppsala. Für sie bedeutete die Universitätswelt vor allem Snobismus, Kumpelei und geschlossene Gesellschaften. Bereits von Kindesbeinen an hatte es für sie geschlossene Türen gegeben, und ihr Studium an der Journalistenschule in Stockholm hatte herzlich wenig mit der traditionellen akademischen Welt zu tun. Außerdem überschnitten sich schließlich die linken Lager überall, sogar in Uppsala. Vielleicht waren die Zeiten doch dabei, sich zu verändern, wie Rickard und Anna sich gern gegenseitig bestätigten. Vielleicht lagen Punsch und Studentengesänge und all diese alten, hohlen Rituale in den letzten Zügen. Vor zwei Wochen hatte jeder, der wollte, feststellen können, dass deutlich mehr Studenten im Demonstrationszug zu finden gewesen waren als bei den
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