Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
Vom Netzwerk:
Backman nickte. »Habt ihr irgendwann schon einmal über seine Eltern gesprochen, vor diesem Wochenende in Simrishamn?«
    »Ich wusste, dass sie gestorben sind, als er noch ziemlich klein war. Aber ich war der Meinung, dass es sich um einen Autounfall gehandelt habe, ich glaube, das hat er mal gesagt.«
    »Aber damals hat er also behauptet, er hätte sie getötet?«
    »Ja. Aber er war ja nicht wach.«
    Eva Backman dachte erneut nach. »Was denkst du dar-über?«, fragte sie. »Jetzt im Nachhinein?«
    »Ich denke gar nichts«, sagte Marianne und schüttelte bekümmert den Kopf. »Vielleicht machte er sich irgendwie Selbstvorwürfe. Seitdem das damals passiert war, was immer es auch war. Kinder können ja so etwas tun, ohne dass es dafür einen Grund geben muss. Sie glauben beispielsweise, sie sind für Dinge verantwortlich, die allein die Eltern zu verantworten haben … bei Scheidungen und so.«
    »Ja, das ist ziemlich häufig so«, stimmte Eva Backman zu. »Und auch wenn es reine Einbildung ist, dann kann ihn das sein ganzes Leben lang verfolgt haben … ist es das, was du glaubst?«
    Marianne zuckte mit den Schultern. »Das ist jedenfalls eine Möglichkeit.«
    »Dann hast du also gedacht, dass nur eine Einbildung hinter seiner Depression steckt?«
    »Wenn es sich denn um eine Depression gehandelt hat. Die andere Alternative ist ja ziemlich schrecklich, nicht wahr?«
    »Du meinst …?«
    »Wenn er es tatsächlich getan hat.«
    Nachdem sie das Krankenhaus verlassen hatte, machte sie ihren obligatorischen langen Sonntagsspaziergang. Aber an diesem Nachmittag diente er nicht als Schleuse zwischen Villa und Wohnung, zumindest nicht primär. Es war Germund Grooth, der in ihrem Kopf herumspukte.
    Wieder einmal.
    Hat das Gespräch mit Marianne in irgendeiner Form Klarheit gebracht?, dachte sie.
    Oder das Bild von Grooth nur noch merkwürdiger erscheinen lassen?
    An und für sich stimmten Kristin Pedersens und Mariannes Zeugenaussagen über Grooths Charakter ziemlich gut überein. Aber was bedeutete das, was Marianne zum Schluss berichtet hatte? Bedeutete es überhaupt etwas?
    Ich habe meine Eltern und meine Schwester getötet, können Sie das in Ihre Bücher schreiben ?
    Das erschien unglaublich sonderbar. Warum behauptete man so etwas, wenn auch nur im Traum? Wenn sie die Sache recht verstanden hatte, dann waren seine Eltern und seine kleine Schwester bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen, als Germund erst zehn oder elf Jahre alt gewesen war, Sorgsen hatte diese Informationen ausgegraben. Und war es nicht so, dass sie von der Straße abgekommen und in einen Fluss gefahren waren?
    Sie meinte sich zu erinnern, dass es so abgelaufen war, aber das brauchte sie ja nur bei Sorgsen zu überprüfen. Und warum sollte ein Zehnjähriger der Meinung sein, er hätte drei Menschen getötet? Er war doch nicht einmal mit im Auto gewesen, oder?
    Nein, beschloss Eva Backman, nachdem sie die Barins allé überquert und nach Pampas gekommen war. Wenn diese Äußerung überhaupt irgendeinen Sinn ergab, dann war es genau so eine verschobene Projektion, wie Marianne sie angedeutet hatte. Der zehnjährige Junge hatte sich Selbstvorwürfe gemacht, dass er überlebt hatte, und niemand hatte es geschafft, ihn von diesem Schuldgefühl zu befreien. Weshalb es ihm sein gesamtes Leben lang – zumindest in den Träumen – nachgehangen hatte.
    Ein Leben, das – aus bisher noch ungeklärten Gründen – sein Ende am 25. September 2010 in der Gänseschlucht gefunden hatte, zehn Kilometer südlich von Kymlinge. Soviel wissen wir zumindest, dachte Eva Backman verbittert.
    Aber das hatten sie schon eine ganze Weile gewusst.

63
    E s gefiel ihr in Göteborg.
    Zwanzig Jahre meines Lebens habe ich in Karlstad verbracht, fünf in Uppsala, dachte sie manchmal während des ersten windigen und regnerischen Winters. Hier in dieser Stadt kann ich den Rest verbringen.
    Das schlechte Wetter störte sie nicht. Tomas war es gelungen, eine Wohnung in der Aschebergsgatan zu finden – drei Zimmer im vierten Stock mit Blick auf den bleigrauen Himmel und über die Vasastaden. Soweit sie verstand, hatte er sie durch die Bank kriegen können, und sie verbrachte viel Zeit damit, sie einzurichten. Zu tapezieren, die Küche umzubauen und zu streichen; vor April bekam sie keinen richtigen Job, sie hatte also alle Zeit der Welt.
    Ökonomisch gesehen war es kein Problem, dass sie nicht arbeitete. Tomas hatte ein fantastisches Einstiegsgehalt bei der Handelsbank bekommen, und

Weitere Kostenlose Bücher