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Einsamen

Einsamen

Titel: Einsamen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nesser
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beieinander zu haben.«
    »Ja«, stimmte Eva Backman zu. »Schwedens Jugend, seine Zukunft, darin steckt ja auch ein wenig Hoffnung. Oder?«
    »Genau«, nickte Barbarotti. »Es gibt nur eine richtige Art und Weise, die Qualität einer Gesellschaft zu messen. Wie wir uns um unsere Kinder kümmern.«
    »Sehr klug«, sagte Eva Backman. »Bist du selbst darauf gekommen?
    »Ich zitiere«, sagte Gunnar Barbarotti, »aber ich weiß nicht mehr, wen.«
    Sie hatten gerade den Rockstakreisverkehr hinter sich gelassen, als Backmans Handy klingelte.
    Sie antwortete. Hörte zwei Minuten zu, ohne anderes zu äußern als »Ja«, »Nein« und »Ich verstehe«. Schließlich bedankte sie sich, behauptete, das sei »sehr interessant« gewesen und beendete ihr Gespräch.
    »Wer war das?«, wollte Barbarotti wissen.
    Eva Backman hielt ihre Liste mit den sieben Namen von 1975 hoch. »Ich glaube, Asunander wird nichts mehr dagegen haben, dass du dir die Ordner vornimmst«, sagte sie.
    »Nicht?«, fragte Barbarotti.
    »Das war Torstensson, sie haben gerade eine Brieftasche gefunden.«
    »Sieh mal einer an«, sagte Barbarotti. »Und?«
    »Sie war offensichtlich zwischen einige Steine gefallen. Ja, das ist ja der reinste Steinbruch da draußen … reine Glückssache, sie hätte dort ebenso gut für alle Ewigkeit liegen bleiben können.«
    »Da stimme ich dir zu«, sagte Barbarotti. »Jetzt wissen wir also, wie er heißt. Aber was hast du damit gemeint, dass Asunander nicht …?«
    »Er war einer von den sieben«, unterbrach Backman ihn.
    »Was?«, rief Barbarotti.
    »Unser neues Opfer war schon vor fünfunddreißig Jahren dabei.«
    »Das ist ja wohl …«, platzte Gunnar Barbarotti heraus und fuhr auf das rote Licht an der Kreuzung Fabriksgatan-Ringvägen zu.

9
    D ie Nachricht, dass Lennart Martinsson sich totgefahren hatte, traf an einem Dienstagabend Ende Oktober ein.
    Es war Papa, der Unteroffizier, der anrief und kurzgefasst die Umstände bekannt gab, als handelte es sich um eine Kurznachricht im Radio. Lennart war zwischen Kil und Arvika von der Straße abgekommen. Er war direkt gegen einen Betonpfeiler gefahren, es gab keine Bremsspur, der Tod war sofort eingetreten. Niemand wusste, was er in der Gegend von Arvika zu tun gehabt hatte, aber alle wussten, dass er in letzter Zeit sehr deprimiert gewesen war. Es war Viertel nach vier nachmittags, als sich der Unfall ereignete. Die Sicht war gut, er hatte sich einen Tag frei genommen.
    Das Gespräch dauerte nicht länger als zwei Minuten, Gunilla konnte im Hintergrund die Sekretärinnenmutter hören. Sie stand hinter dem Rücken ihres Mannes, damit er seiner Tochter auch alle Anklagen um die Ohren schlug. Was nicht nötig gewesen wäre: die Anklagen brauchten keine Worte, es genügten Pausen an den richtigen Stellen und die trockene Information. Nachdem Gunilla den Hörer aufgelegt hatte, blieb sie vor dem Fenster stehen, starrte hinaus in die Dunkelheit und dachte, dass sie eigentlich denselben Weg nehmen könnte.
    Er hatte es mit Absicht getan.
    Natürlich war es so gewesen. Geplant und bewusst hatte Lennart sich totgefahren, nachdem er keinen Sinn mehr darin gesehen hatte, ohne sie weiterzuleben. Er hatte es versucht, sein Bestes gegeben und ein paar Monate durchgehalten, dann war es ihm nicht länger möglich gewesen.
    Er hatte sich das Leben genommen und ihr gleichzeitig eine Schuld aufgebürdet, die sie nie wieder würde loswerden können. Genau so sah die Wahrheit aus, es gab keine andere, beschönigendere Sichtweise.
    Seit ihrem Umzug nach Uppsala war sie ein einziges Mal zu Hause in Karlstad gewesen, zum fünfundfünfzigsten Geburtstag ihrer Mutter Anfang September. War nur eine Nacht geblieben, hatte sich damit herausgeredet, dass sie so viel lernen müsse, und die ganze Zeit darauf geachtet, nie mit jemandem allein im Zimmer zu sein. Weder mit Mutter noch mit Vater, nicht mit ihrer Schwester Barbro. Mindestens zu dritt zu sein bot eine Art Schutz gegen Angriffe; aus irgendeinem Grund hatte es funktioniert.
    Sie hatte Lennart nicht mehr gesehen, seit sie Schluss gemacht und ihn im Juni verlassen hatte. Im Laufe des Sommers hatte er zweimal angerufen – es war nicht schwer zu kombinieren, dass ihre Mutter ihm die Nummer gegeben hatte. Beim ersten Mal war er fast sofort zusammengebrochen und hatte angefangen zu weinen; sie hatte eine ganze Weile versucht, ihn zu beruhigen, dann hatte sie den Hörer aufgelegt. Beim zweiten Mal, ungefähr eine Woche später, hatte er um Verzeihung

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