Einsamen
aus. Bewegte sich außerdem wie ein Schlafwandler, wie gegen den eigenen Willen und besseres Wissen – bevor er sich in einen von zwei schwarzen Ledersesseln niedersinken ließ, die auf beiden Seiten eines niedrigen Kieferntischchens standen, auf dem eine Schachpartie aufgestellt war.
»Entschuldigen Sie«, sagte er. »Aber ich habe seit mehreren Wochen nicht mehr geschlafen.«
Gunnar Barbarotti setzte sich in den anderen Sessel.
»Es tut mir leid, dass ich mich in so einer Situation aufdrängen muss. Es ist mir klar, dass Sie es nicht leicht haben.«
Rickard Berglund nickte und trank einen Schluck Wasser aus einem Glas, das neben dem Schachbrett stand.
»Es ist fast unerträglich«, sagte er. »Mitansehen zu müssen, wie der Lebensgefährte auf diese Art dem Tod begegnet.«
Barbarotti fragte sich einen Moment lang, warum er wohl das Wort »Lebensgefährte« benutzte. Ob es stärker oder schwächer als »Ehefrau« war, das wäre ja wohl der übliche Begriff gewesen. Vielleicht bemerkte Berglund seine Verwunderung in seinem erschöpften Zustand, denn er fügte hinzu: »Wir haben vierzig Jahre lang zusammengelebt. Jeweils zwei Drittel unseres Lebens, ich kann mich mit ihrem Leiden nicht abfinden.«
»Ich möchte gar nicht behaupten, dass ich das verstehe«, sagte Barbarotti. »Es gibt Dinge, die man erst versteht, wenn sie einem selbst zustoßen.«
Rickard Berglund betrachtete ihn mit etwas, das möglicherweise als Interesse zu interpretieren war, und nickte. »Vollkommen richtig«, sagte er. »Es gibt auch keinen Grund, es zu versuchen. Gewisse Dinge sollen wir nicht verstehen, das hat gar keinen Sinn. Aber warum man nicht sterben darf, wenn das Leben nur noch eine einzige Qual ist … was ist es, was hält sie noch hier … ja, darüber kann man sich viele Gedanken machen …«
Er verlor den Faden, blinzelte ein paar Mal in die Sonne, die plötzlich einen Strahl durch das Balkonfenster schickte. Richtete sich im Sessel auf und schien sich daran zu erinnern, dass Barbarotti nicht als Seelsorger gekommen war. »Entschuldigen Sie, ich bin nicht ganz bei mir. Sie sind ja nicht hergekommen, um mit mir über meine Ehefrau zu sprechen.«
»Nein«, bestätigte Barbarotti. »Es hat sich ein sonderbarer Todesfall ereignet, und wir sind dabei, in dieser Sache zu ermitteln. Germund Grooth. Er ist Sonntag am Fuße des sogenannten Todesfelsen gefunden worden.«
»Ich weiß«, bestätigte Rickard Berglund. »Linderholm hat das erwähnt. Eine Kollegin von Ihnen war bei ihm.«
»Was halten Sie davon?«, fragte Barbarotti.
»Wie bitte?«
»Was halten Sie von Grooths Tod?«, verdeutlichte Barba-rotti. »Er ist, wie gesagt, an genau derselben Stelle gefunden worden, an dem seine Lebensgefährtin Maria Winckler vor fünfunddreißig Jahren gestorben ist.«
»Das ist unbegreiflich«, sagte Rickard Berglund und schüttelte langsam den Kopf. »Vollkommen unbegreiflich.«
Er nahm einen schwarzen Bauern vom Schachbrett und runzelte die Stirn. Barbarotti erwartete, dass er deutlicher werden würde, aber es kam nichts. Rickard Berglund wog nur den Bauern in der Hand und stellte ihn dann zurück aufs Brett.
»Bei dem alten Todesfall gab es ja so einige Ungereimtheiten«, sagte Barbarotti.
»Ungereimtheiten?«, wiederholte Rickard Berglund. »Ja … ja, das war eine schreckliche Sache. Schrecklich für alle Beteiligten … in erster Linie natürlich für Maria, die gestorben ist … aber auch für uns andere … und für Germund …«
Jetzt sprach er so leise, dass Barbarotti nur noch mit Mühe und Not verstehen konnte, was er sagte. Als wäre er kurz davor, einzuschlafen.
»Es gab Verdachtsmomente damals. Erinnern Sie sich?«
»Natürlich«, antwortete Rickard Berglund. »Ich bin nicht senil, ich bin nur müde.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Barbarotti.
»Die Verdachtsmomente resultierten daraus, dass Maria etwas gerufen haben soll, während sie stürzte«, fuhr Berglund mit etwas energischerem Tonfall fort. »Einige interpretierten das dahingehend, dass jemand sie gestoßen hätte … oder besser gesagt, das waren wohl Sie, die es so gedeutet haben. Die Polizei, ein Kollege von Ihnen, der hieß Sandlin, glaube ich … er ging etwas ruppig vor.«
»Ich habe seine Unterlagen gelesen«, erklärte Barbarotti. »Es ist möglich, dass Sie Recht haben, auf jeden Fall war letztendlich nichts zu beweisen. Was für eine Auffassung hatten Sie von Marias Tod?«
»Sie ist gestürzt«, antwortete Rickard Berglund und tastete wieder
Weitere Kostenlose Bücher