Einsamen
Als alles im Glimmervägen erledigt war, holten sie die drei schweren langen Pakete durch eine Garage in der St. Olofsgatan ab, und dann war es endlich Zeit, sich nach Kvarngärdet zu begeben und einen eigenen Hausstand zu gründen.
Tomas nahm sich die Freiheit, genau das zu singen, während sie dorthin fuhren. »Mein kleines Haus ich bauen will, mit kleinem Garten, sonst nicht viel«, und Germund, der auch ab und zu im Chor sang, fiel mit ein, dass es nur so brummte: »’nen kleinen Acker umzugraben, mein eigen Land, das will ich haben!«
Dann lachten sie alle drei laut los, während sie sich jeder mit einer Dose Bier auf der Sitzbank drängten (Anna war bereits mit ihrem Fahrrad zur Väktargatan aufgebrochen), und Rickard stellte fest, dass er glücklich war. So sollte das Leben aussehen, genau so, in Bewegung, ständiger Bewegung – und nicht in dieser stillsitzenden, finster grübelnden Art und Weise.
Tomas ließ sie nach einer Stunde Schleppen und Auspacken allein in der Väktargatan. Er fuhr den Lastwagen zurück zur Tankstelle und dann weiter nach Hause. Gunilla war so hochschwanger, dass jeden Tag die Wehen einsetzen konnten, und mochte nicht für längere Zeit allein sein.
Aber Germund blieb noch. Rickard dachte, wie ungewöhnlich es war, mit Germund zusammen zu sein, ohne dass Tomas dabei war. Das war bis jetzt so gut wie nie vorgekommen, obwohl sie einander seit zwei Jahren kannten und ziemlich oft Kontakt miteinander hatten. Es war, als ob … als ob Tomas eine Art Membran war – eine notwendige Schleuse oder ein Dolmetscher, durch den man Kontakt zu Germund bekam. Er hatte vorher nie so wie jetzt gedacht – während sie Kartons schleppten und Gläser und Teller auspackten und versuchten, das echte Bett zusammenzuschrauben; es war nicht ganz einfach, mit Germund eine Konversation zu führen. Er fragte sich, ob Anna das auch Mühe machte, aber es schien nicht so zu sein.
Andererseits musste man auch gar nicht reden, da man so viel Praktisches zu tun hatte. Und dennoch – Maria hatte versprochen, gegen vier Uhr, wenn ihre Vorlesung zu Ende war, mit ein paar Pizzas von Lucullus am Sivia torg vorbeizuschauen, und bereits um halb drei hoffte Rickard, dass sie ja vielleicht früher kommen würde.
Nur wenige Minuten später klingelte das Telefon. Es war natürlich überraschend, dass es bereits installiert und in Betrieb war; es war Rickards Apparat, den er in der Torsgatan abgekoppelt hatte, und er hatte die Telefongesellschaft auch noch dazu überreden können, dass er seine alte Nummer behalten konnte.
Nicht weniger überraschend war, dass der Anruf aus dem Universitätskrankenhaus kam und dass er Helge betraf.
Helge aus Gäddede. Seitdem sie vor gut einem Jahr die Unteroffiziersschule verlassen hatten, hatte Rickard nicht ein Wort von ihm gehört.
Das tat er auch jetzt nicht, da es eine Krankenschwester war, die mit ihm sprach. Sie klang etwas schroff, ungefähr wie in den Filmen aus den Vierzigern, dachte Rickard ganz unmotiviert.
»Sind Sie Rickard Berglund?«
»Ja. Ja, der bin ich.«
»Es geht um Helge Markström. Ist das ein Bekannter von Ihnen?«
»Helge Mark … ja, ja natürlich.«
»Er hatte einen Unfall … einige Frakturen. Er hat Ihren Namen als Kontaktadresse angegeben. Offenbar lebt er normalerweise nicht hier in der Gegend.«
»Nein, er wohnt in Gäddede. Was … was ist denn passiert?«
»Er wurde von einem Bus angefahren. Heute in der Früh. Er ist operiert worden und jetzt aufgewacht. Alles ist gut gegangen, wenn Sie ihn besuchen wollen, steht dem nichts im Wege.«
»Ein Bus?«
»Wie gesagt. Er ist operiert worden, und alles ist gut verlaufen.«
Die Krankenschwester gab ihm die Stationsnummer und beschrieb den Weg dorthin. Versicherte noch einmal, dass es Helge den Umständen entsprechend gut ging, er aber noch verwirrt und eingegipst war. Der Unfall hatte sich an einem Zebrastreifen in der Kungsgatan ereignet. Wenn sie richtig informiert war, dann war der Busfahrer über Rot gefahren.
Rickard bedankte sich und versprach, sofort ins Krankenhaus zu kommen. Eilig erklärte er Anna, was passiert war, und machte sich auf den Weg.
Helge, dachte er. Ich hatte keine Ahnung, dass du in der Stadt bist. Warum hast du nichts von dir hören lassen?
Wie sich herausstellte, war er am selben Tag angekommen. Frühmorgens mit einem Nachtzug aus Kiruna. Eigentlich war er auf dem Weg nach Stockholm, wo er eine Ausbildung zum Möbeltischler anfangen wollte, hatte aber geplant, vorher
Weitere Kostenlose Bücher