Einsamen
dabei gewesen waren. Gunilla Winckler-Rysth und Elisabeth Martinsson. Gab es etwas, das eine von ihnen gesagt oder auch nur angedeutet hatte, das darauf hinwies, dass ein Verbrechen begangen worden war? Oder zwei Verbrechen? Etwas, das sie übersehen hatte?
Sie glaubte es nicht, zumindest konnte sie nichts entdecken. Mit Elisabeth Martinsson hatte sie nur am Telefon gesprochen, sie hoffte, dass Barbarotti die Zeit für ein direktes Gespräch mit ihr finden würde, während sie selbst in Lund war. Mit diesem abtrünnigen Pfarrer und Gunilla Winckler-Rysths Ehemann natürlich auch. Tomas Winckler. Sicher musste man einiges an andere delegieren; höchstwahrscheinlich an die Assistenten Tillgren und Wennergren-Olofsson, und es war natürlich nicht gesagt, dass es nur deshalb schiefgehen musste.
Was sie selbst auf ihrer Tour nach Skåne herausbekommen würde, stand in den Sternen, aber Germund Grooth war ja bis jetzt ein ziemlich unbeschriebenes Blatt, vielleicht würde doch so einiges ans Tageslicht kommen. Wenn schon nichts anderes, dann jede Menge unbedeutender Fakten. Ein Leben.
Das aus irgendeinem – noch unklaren – Grund in den Wäldern um Kymlinge sein Ende gefunden hatte, dreihundertfünfzig Kilometer von seinem Wohnort entfernt.
Aber wenn er sich einfach nur das Leben genommen hatte, was war dann noch so unklar? Genau betrachtet.
Sie hatte sich für zwei Nächte ein Zimmer im Hotel Concordia in der Stålbrogatan in der Ortsmitte genommen, dort hatte sie früher schon einmal gewohnt, und es hatte ihr gefallen. Im Nachbarhaus hatte Strindberg vor hundertzwanzig Jahren gesessen und Inferno geschrieben. Allein schon das. Und Kriminalinspektor Ribbing wollte sie um vier Uhr treffen und auf den neuesten Stand bringen, so war es geplant. Er wollte die Informationen über Dozent Grooth präsentieren, die herauszufinden ihm bisher geglückt waren. Sie hatten am Abend zuvor miteinander gesprochen, und er hatte vertrauenserweckend gewirkt.
Mit sicherem südschwedischem Akzent, vielleicht beruhte darauf das Vertrauensgefühl.
Das gerollte Zungen-R wie die Piaf, aber von einer anderen Art. Einer ganz anderen Art.
Sie fuhr den Nissastigen entlang und gelangte in Höhe von Halmstad auf die E6. Wechselte zu Billie Holiday und beschloss, das Mittagessen zu überspringen. Selter, Banane und Schokoladenkekse im Auto mussten genügen. Und Tankstellenkaffee, wenn man alleinstehend war, dann war das eben so. Man bekam seine Macken, und sie war etwas spät dran.
Er saß neben einem Flügel im Foyer und wartete. Er war zwei Meter lang und wog vermutlich mehr als Piaf und Holiday zusammen, das war am Telefon nicht zu hören gewesen.
Aber agil und gut durchtrainiert war er. Ein Polizist, der so aussieht, braucht keine Waffe, dachte Eva Backman und bat um fünf Minuten Zeit auf ihrem Zimmer.
»Ich habe dafür gesorgt, dass wir hier im Hotel ungestört miteinander reden können«, erklärte er. »Kaffee und ein paar Brote, ist das in Ordnung?«
Sie bestätigte, dass das absolut in Ordnung war, und Viertel nach vier ließen sie sich jeweils auf einer Seite eines frisch polierten Eichentisches in einem kleinen Konferenzraum nieder. Die Brote waren so groß wie Ribbings Schuhe, eine junge Frau mit weizenblondem Pferdeschwanz servierte den Kaffee aus einer Porzellankanne und erklärte, dass es sich um Zoega handelte.
Als die Kellnerin die Tür hinter sich geschlossen und sie allein gelassen hatte, zog Ribbing einen Stapel Papiere aus einer Mappe und räusperte sich.
»Dieser Grooth«, sagte er, »das war schon ein verdammt einsamer Wolf.«
Backman nickte.
»Der scheint überhaupt keine Kontakte gehabt zu haben. Keine Familie, keine Freunde. Die Informationen, die ich habe kriegen können, stammen von einer Nachbarin und von Arbeitskollegen. Von seinem Professor am Physikum und zwei anderen Kollegen. Die Nachbarin heißt Frau Zetterlund, sie wohnt seit achtzehn Jahren im selben Treppenaufgang wie
Grooth.«
»Aber Sie waren noch nicht in seiner Wohnung?«
»Nein. Ich dachte, das machen wir morgen. Sie wollen doch sicher dabei sein?«
»Auf jeden Fall«, bestätigte Eva Backman. »Nun, was haben sie denn zu sagen, diese Kollegen?«
Ribbing konsultierte seine Papiere.
»Nicht besonders viel. Grooth hat 1978 als Doktorand am Institut angefangen. Vorher hat er in Uppsala studiert, aber das wurde offensichtlich nicht als ein Problem angesehen.«
Er zwinkerte mit dem rechten Auge. Backman verstand, dass das ein Scherz sein
Weitere Kostenlose Bücher