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Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman

Titel: Einsamkeit und Sex und Mitleid: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Krausser
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inner
Krankenkasse sein. Wann issesn passiert?« wollte Stiefel wissen.
    »Na grad eben!«
    »Dann hamwa ja nochn bischn Zeit!« meinte Stiefel und legte sich
wieder pennen. Was Sibylle kaum halb so lustig fand, wie es gemeint war. So
richtig zum Lachen war ihr nicht.
    Sonntag morgens hatte Julia König Zeit. Sonst kaum jemals,
aber Sonntag morgens fast immer. Der Nachmittag war für Fitness und Schwimmen
verplant und für einen Imbiss bei ihrem Stammasiaten, Monsieur Vuong. Sie aß
sonst nur das Nötigste, um schlank und drahtig zu bleiben. Aber Ausschweifungen
waren wichtig für die Seele. Sonntag, tagsüber, war die rechte Zeit für Orgien.
Danach würde sie Akten wälzen, Geschäftsberichte lesen und ihrem Team die
Aufgabengebiete der nächsten Woche zuweisen. Danach die Sonntagsausgabe des
Tagesspiegel lesen und früh zu Bett gehen, denn die Woche würde, wie üblich,
hart werden. Neue Projekte lagen an, in denen es um Millionenbeträge ging. Wenn
Julia ihr selbstgestecktes Ziel erreichen wollte, binnen eines Jahres
Teilhaberin der Firma zu werden, mußte sie sich reinknien und besser sein als
all die Männer, die dasselbe Ziel besaßen. Jetzt aber war Sonntagmorgen, die
beste Zeit der Woche. Manchmal sah sie dann fern und mit Vorliebe die
Lieblingssendungen ihrer Kindheit, die mit der Maus oder auf dem Kinderkanal
den Lönneberger Michel oder eine Folge Langstrumpf. Manchmal wollte sie auch
was für ihre Libido tun. Zum Beispiel heute. Sie blätterte im Katalog der
Begleitagentur. Es war acht Uhr, mit ein wenig Glück kam sie noch um die
Ausschußware rum. Fred, das beste Pferd im Stall, hatte sie nun schon arg oft
gehabt. Mark und Ansgar auch, die waren gut, keine Frage, aber heute stand
Julias Sinn nach etwas Neuem. Sie rief an und fragte, ob es denn nichts
Alternatives gebe, vielleicht was Schüchternes, nichts so Cooles und
Abgefeimtes, da stand sie drauf. Er müsse einen aktuellen Bluttest vorweisen
können, weil sie es gern hatte, wenn die Kerle in ihren Mund ejakulierten.
Julia wußte exakt, was sie wollte. Geleckt werden, bis es ihr kam, dann blasen,
bis es ihm kam. Dazwischen ein ordinärer, sehr bequemer Fick in
Missionarsstellung. Kein Anal, kein Schnickschnack. Dezentes Parfüm. Dafür war
sie bereit, satte 200 Euro die Stunde zu zahlen. Wenn möglich solle er
beschnitten sein und ein Großkaliber. Dicke zähle dabei mehr als Länge. Alter
spiele keine Rolle, Hauptsache athletisch und unter 30. Die Frau in der
Vermittlung meinte, da gebe es wen.
    Sibylle und Holger saßen in der U-Bahn Richtung
Stadtmitte. Gerüchten zufolge wirkte die Pille am zuverlässigsten binnen
fünfzehn Stunden danach, das sollte eigentlich kein Problem sein. »Ist denn
heute wirklich son gefährlicher Tag?« wollte Holger wissen.
    »Weiß ich nich genau. Aber ich geh doch kein Risiko ein.«
    »Wär dasn wirklich so schlimm?«
    »Was?«
    »’n Kind zu kriegen. Ich würde bei dir bleiben. Du wirst lachen, du
gefällst mir nämlich. Auch übers Ficken hinaus. Ich find dich gut.«
    »Hast dun Hau?«
    »Wieso? Ich fänds gut, Vater zu werden. Wenns behindert ist, kann
mans heutzutage in die Kinderklappe geben, auf Nimmerwiedersehn. Ansonsten kann
mans aufziehn und triezen und teachen. Hey, ich bin echt total verliebt in
dich!«
    Sibylle wurde zunehmend mulmig. Dieser Holger hatte definitiv einmal
zu oft die Schranktassenräuber zu Besuch gehabt.
    »Wovon sollten wir denn leben?«
    »Ich kann eins a klauen. Wärn meine Freunde da, könnteste die
fragen, wie gut ich im Klauen bin. Ich liebe dich, ernsthaft.«
    Der Kerl war gar nicht wahr. Sibylle schlug sich gegen den Kopf. Sie
glaubte, Opfer eines fiesen Traums zu sein. »Du Arsch, halt jetze bloß dein
dummes Maul!«
    Holger hielt sein Maul keineswegs. »Ich liebe dich. Und ich will
nicht, daß du außer mir noch was anderes liebst!« Mit diesen Worten griff er
sich Chrissie, die Ratte, wollte ihr den Kopf abbeißen, doch Chrissie biß
zuerst zu, in seine Zunge, er schrie auf, blutete aus dem Mund, ließ die Ratte,
die ihn auch noch in den Finger biß, los, sie fiel auf den Boden, drehte sich
verwirrt im Kreis, bevor Sibylle nach ihr griff und sie in ihrem Decolleté in
Sicherheit brachte.
    »Du bist echt kranke Scheiße! Verpinkel dich!«
    »Vorsifft!« entgegnete Holger, die Zungenspitze in ein
Tempotaschentuch gewickelt. Jede Frau solle froh sein. Um jeden Mann, der sich
für sie entschied, bedingungslos. Der zu ihr hielt, egal was da käme.
    Holger tat sich leicht mit

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