Einst herrschten Elfen
die Feinde machten Lärm im Wald. Deshalb beschloss sie zu warten und zu lauschen und sich unterdessen zu orientieren.
Als Onelle nach oben blickte, fand sie die Sonne nicht, sondern nur das Grün und Schwarz des Blätterdachs. Voller Leben und Tod. Eigentlich war sie nicht weit vom brennenden Lager entfernt, aber wenn sie sich umdrehte, konnte sie nirgends etwas entdecken. Eine Rauchwolke wehte vorbei, was ihr nicht weiterhalf.
Dann setzten die Schreie ein. Leise zuerst, dann lauter, und sie kamen rasch näher. Es waren sechs Ynissul, die an ihr vorbeiliefen. Zwei stützten sich gegenseitig, die anderen vier trieben die Verletzten an und blickten sich immer wieder über die Schulter um. Sie sollten doch besser nach vorne sehen. Onelle wollte ihnen eine Warnung zurufen, doch sie schwieg.
Auf einmal stellte sich ihnen ein Mensch in den Weg. Er schwang ein Schwert und hackte in Hüfthöhe nach den ersten beiden. Blut spritzte auf die breiten Blätter. Sich immer noch gegenseitig umklammernd stürzten die Elfen. Die anderen vier blieben stehen, teilten sich auf und rannten weg. Von hinten kam ein zweiter Mensch und trieb einem Fliehenden die Klinge in den Rücken. Eine Elfenfrau hielt an einem Baum inne und flehte um ihr Leben. Das Schwert durchbohrte ihr ungeschütztes Herz.
Onelle legte sich eine Hand vor den Mund, um nicht aufzuschreien. Sie zitterte am ganzen Körper, die Tränen liefen ihr über das Gesicht. Sie wollte nicht sehen, was mit den anderen beiden geschah, aber irgendjemand musste darüber berichten.
Die letzten beiden Ynissul liefen nicht mehr weg, sondern wichen mit erhobenen Händen zurück, ohne einen Laut von sich zu geben. Drei Schwertkämpfer gingen lächelnd auf sie zu. Wie gern hätte Onelle das Lächeln aus den hässlichen Gesichtern gefegt und sie blutig geschlagen. Sie nahm die Hand von den Lippen und krümmte die Finger. Die Fingernägel waren stark und scharf. Vielleicht sollte sie es tun.
Auf einmal huschte rechts von ihr ein Schatten vorbei. Einer der Männer drehte sich um. Zwei Klingen trafen seinen Hals und den Rumpf. Ein klagender Laut war zu hören, in das Gesicht des zweiten Mannes hatte sich ein Jaqrui gebohrt. Die Klinge hatte den Nasenrücken und beide Augen zerschnitten. Der dritte Mensch ging in einem Wirbel von Fausthieben und Tritten, denen man kaum mit den Augen folgen konnte, zu Boden. Keinem blieb Zeit, allzu lange seine Qualen herauszuschreien.
Auf einmal bekam Onelle wieder große Angst. Die Gewalttaten der Angreifer waren schrecklich gewesen, doch die Geschwindigkeit, mit der die TaiGethen kämpften, war schockierend. Sie wollte aufstehen und sich zeigen, konnte sich aber vor Angst nicht rühren. Aber das war doch nur ein Gefühl, nichts weiter. Sie beobachtete die TaiGethen, während diese die toten Elfen untersuchten und die Überlebenden trösteten, ehe sie ihnen den Weg wiesen.
Eine Kriegerin drehte sich um und kam direkt auf sie zu. Ein paar Schritte vor Onelle blieb sie stehen, hockte sich hin und bot ihr die Hand. Onelle kannte sie nicht und schüttelte den Kopf.
»Es ist jetzt sicher«, sagte die TaiGethen. »Du kannst herauskommen. «
»Nein, ist es nicht. Bitte.«
Vor ihr fegte eine schreckliche, schmerzhafte Kälte durch den Wald. Reif überzog die Blätter und Äste und schwärzte alles, was er berührte. Der Sturm aus Eis und Wind tobte an ihr vorbei und zwang sie, sich festzuhalten und die Augen zu schließen. So schnell, wie er gekommen war, hörte er wieder auf. Danach war ihr übel, aber sie lebte noch. Doch als sie die Augen öffnete, war von den TaiGethen und den toten Menschen und Elfen nichts mehr übrig.
Ein Mensch, der einen Mantel trug, hockte sich auf den vereisten Boden und sah sich zuf rieden um, da sein Rachedurst gestillt war. Onelle hatte keine Ahnung, was in diesem Moment über sie kam. Sie stand auf und trat vor ihn. Immer noch war ihr eiskalt, doch der Reif taute schon auf den Blättern, die schwarz und tot darunter zum Vorschein kamen.
Der Mann wich einen Schritt zurück, dann erkannte er, dass er nur eine verlorene einsame iad vor sich hatte, und lächelte. Er kicherte und murmelte etwas. Onelle hasste den Mann. Sie hasste die Augen, die sie anblickten, als wäre sie kaum mehr als ein Tier. Sie hasste seinen Geruch und alles, was er in sich trug. Sie spürte es. Eine Energie, die zum Bösen benutzt wurde.
Onelle rannte zu ihm. Sie war schnell, sehr schnell. Sie krümmte den Arm und stieß ihm die Finger gegen die Kehle.
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