Einst herrschten Elfen
bitterer, klebriger Geschmack lag in der Luft. Calaius roch falsch.
Die Neugierigsten unter den Ynissul-Flüchtlingen hatten sich ihnen angeschlossen und blickten über die Wälle des Ultan hinweg zur Küste und in Richtung Ysundeneth. An einem klaren Morgen wie diesem waren die höchsten Türme der Stadt gerade noch zu erkennen. Zwischen Katyett und Merrat stand die iad , mit der sie während der Wanderung gesprochen hatte, ihr Gefährte war hinter ihr. Sie hieß Onelle, und wenn Katyett in diesen schweren Zeiten nur einen einzigen Elf retten konnte, dann sollte sie es sein.
»Ich glaube, das willst du dir lieber nicht ansehen«, meinte Katyett.
»Was ist es denn?«, fragte Onelle.
»Eine schreckliche Kraft, die blindlings losgelassen wird.« Dabei empfand sie eine ganz ungewohnte Hilflosigkeit.
»Die Tuali ergreifen die Macht«, überlegte Onelle.
Katyett schüttelte den Kopf. »Du suchst den Feind an der falschen Stelle. Dies ist das Werk von Menschen unter der Anleitung von Ynissul-Verrätern. Die verbrecherischen Tuali verteilen ihre Grausamkeiten dagegen wahllos und planlos. «
Onelle wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment blühte über der Stadt ein grellgrünes, an den Rändern braun gefärbtes Licht auf und warf gespenstische Schatten über das Meer. Dicht über dem Boden zuckten fahle Blitze, an den Türmen liefen brennende Lanzen empor. Gierige gelbe Flammen verzehrten das hilflose Holz.
Katyett schluckte, ihre Kehle war trocken. Kalte Wut breitete sich in Körper und Seele aus. Verantwortlich für all dies waren Ynissul. Machtbesessene, von der eigenen Wichtigkeit eingenommene Ynissul, die alles abschaffen wollten, was Takaar erreicht hatte. Es entsprach den Ynissul doch gar nicht, ein so kurzes Gedächtnis zu haben. Andererseits war es unbequem, die Wahrheit einzusehen.
»Was tun wir jetzt?«, flüsterte Merrat.
»Wir warten«, entschied Katyett. »Wir ändern den Plan nicht. Tak… Auum und Serrin werden bald zurückkehren. Dann werden wir die Antworten hören und finden vielleicht ein Banner, unter dem wir marschieren können.«
»Ich verstehe das nicht.« Onelle errötete. »Verzeihung, ich wollte euer Gespräch nicht stören.«
»Das betrifft dich ebenso wie uns«, erwiderte Katyett. »Was verstehst du nicht?«
In der Stadt waren sicherlich fünfzig Brände ausgebrochen, und immer noch wüteten die magischen Kräfte, welche die Menschen mitgebracht hatten. Olmaat hatte sie vor dem gewarnt, was sie sehen würden, doch er hatte nicht erwähnt, wie sehr es auf die Seele drückte. Wie besudelt sich die Luft anfühlte, wie vergiftet das Land unter den Füßen.
»Warum kehren wir nicht zurück, wenn die Ynissul der Stadt ihre Ordnung aufgezwungen haben?«
»Ordnung?«, entgegnete Merrat. »Tut mir leid.«
Katyett schüttelte den Kopf. »Sie werden die Harmonie nicht wiederherstellen, daran haben sie kein Interesse. Wenn du daran glaubst, dass die Ynissul das Recht haben zu herrschen, wirst du dort Freunde finden. Wenn nicht, solltest du bei uns bleiben.«
»Wie kann man nach dem, was uns geschehen ist, die Harmonie wiederherstellen?«, fragte Onelle.
»Sogar nach der Blutfehde haben wir gelernt, zusammenzuleben und im Laufe der Zeit zu verzeihen. So weit können wir aber nicht vorausplanen, weil dies einen Entschluss voraussetzt, der den Ynissul die Kontrolle überlässt.«
»Glaubst du nicht, dass sie mit der Macht, die ihnen jetzt zu Gebote steht, die anderen Linien unterdrücken werden?«, fragte Onelles Partner Rydd.
»Ich zweifle nicht daran, dass Ysundeneth dank der Magie der Menschen fallen wird. Was ich fürchte, ist der nächste Schritt.«
»Warum?«
Katyett zuckte mit den Achseln. »Wenn ich ein Mensch wäre und so viel Macht besäße, würde ich mich nicht einem Elf unterordnen, der mich entlohnt.«
Takaar brüllte vor Schmerzen, und Auum fürchtete um das Leben seines gefallenen Helden. Es war ein dramatischer Zusammenbruch gewesen, er war beim Sturz mit dem Kopf gegen einen Felsen geschlagen. Auum hatte ihn aufgehoben, obwohl der Hirsch auf seinen Schultern lag, und war zum Lager zurückgeeilt. Zuerst hatte er keine Ahnung, was Takaar getroffen hatte. Ein Biss oder ein Stich vielleicht, eine plötzlich ausgebrochene Krankheit. Alles war denkbar.
Doch es gab keine körperlichen Spuren. Sobald Takaar sich beruhigt hatte, suchte Auum nach Bisswunden und den kleinen roten Punkten, die mit Stichen einhergingen. Er forschte nach verfärbter Haut, Geschwüren,
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