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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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angezogenen Herrn möglich, sich der Weste zu entledigen, ohne den Rock auszuziehen? Einem Kopernikus oder Laplace hätte man mit so etwas nicht kommendürfen. Einstein griff die Sache sofort mit Leidenschaft auf wie ein Problem der körperlichen Mechanik, und er löste es leibhaftig im Nu mit wenigen energischen Handgriffen. Und daneben steht der betrachtende Mitmensch, verdutzt und erfreut, und denkt sich: das ist der nämliche Einstein, der über Kopernikus und Laplace hinausschritt! Wenige Minuten darauf wird vielleicht ein ernsthaftes Thema angeschlagen aus der Politik, der Volkswirtschaft, der Soziologie, der Rechtsprechung, es sei, was es wolle, Einstein wird jeden Gedankenfaden fortspinnen, mit feiner Einfühlung in den Gesprächspartner, mit Aufstellung eigener Perspektiven, nie rechthaberisch, stets anregend, mit voller Sympathie für den Gegenstand und für alle Denkformen, worin er sich spiegelt, das Modell eines Wissenden, den Terenz sprechen läßt: Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches ist mir fremd!
Ein Hilfsversuch.
    Formen der Naturgesetze. – Erleichterungen des Verständnisses. – Populäre Darstellungen. – Optische Signale. – Gleichzeitigkeit. – Versuch in Gleichnissen.
    »Ich möchte Sie bitten, Herr Professor, mir über eine Schwierigkeit hinwegzuhelfen und mich in deren Hervorhebung als den Sprecher einer großen Menge zu betrachten. In den meisten Darstellungen Ihrer Relativitätslehre vermisse ich die Berufung auf bestimmte, konkrete, erläuternde Beispiele , an die man sich halten könnte, wo der allgemein hingestellte Satz in uferloser Geltung auftritt. Gestatten Sie mir, dies zu präzisieren. Die Vereinfachung des ganzen Weltbaus gründet sich bei Ihnen darauf, daß die Relativitätstheorie alle Betrachtungen von der Beziehung auf ein willkürlich gewähltes Bezugssystem freimacht, vielmehr die Gleichwertigkeit aller Bezugssysteme ausspricht. Lautet doch einer Ihrer ersten Hauptsätze: Die Naturgesetze, nach denen sich die Zustände der physikalischen Systeme ändern, sind unabhängig davon, auf welches von zwei zu einander gleichförmig bewegten Systeme diese Zustandsänderung bezogen wird. In diesem Satz steckt folgende Behauptung: Wenn man es – irrtümlich – unternimmt, sich auf einen nicht -relativistischen Boden zu stellen, so wird man dahin gelangen, die Naturgesetze als abhängig vom Bezugssystem zu finden, ihnen also, je nachdem, verschiedene, wechselnde Formen zuzusprechen. Hier nun setzt das Verlangen ein, bestimmte Beispiele zu hören: welche wechselnde Formen könnte irgend ein bekanntes Naturgesetz nach sonstiger Auffassung annehmen und wie kann man an diesem selben Naturgesetz nachweisen, daß es sich dem Relativitätspostulat fügen muß?«
    Einstein erklärte, daß derartige Beispiele nicht im Speziellen, sondern nur in allerweitester Allgemeinheit gegeben werden können. Würde etwa die Ellipsenbewegung der Planeten genannt (ich hatte in meinem Wunsche darauf hingedeutet), so würde man in einen Irrtum verfallen; diese Ellipsenbewegung sei kein solches Gesetz. Denn die von den Planeten beschriebenen Ellipsen könnensich von einem anderen Betrachtungsort gesehen, zu Wellenlinien auseinanderziehen, oder zu Spiralen, blieben Ellipsen immer nur unter der Voraussetzung, daß die Bewegungslinien auf den Zentralkörper bezogen werden. Wohl aber sei die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ein solches Gesetz und ebenso der Trägheitssatz, wonach ein sich selbst überlassener Körper gleichförmig geradlinig fortschreitet.
    Diese Begrenzung auf so wenige allgemeinste Sätze, gestand ich, wird manchem wißbegierigen Laien schmerzlich sein; weil es ihm äußerst schwer fällt, zwischen Naturgesetzen allgemeinster und spezieller Geltung zu unterscheiden. Dann aber müßte wohl auch der Begriff jeder populären Darstellung eingeschränkt werden. Denn sie wird ja nicht dadurch populär, daß sie den Wißbegierigen hin und wieder mit »lieber Leser« anredet, sondern dadurch, daß sie seine Fragewünsche und Bedenken errät, vorwegnimmt, untersucht und je nach der Sachlage diese als unberechtigt, jene als erfüllbar oder unerfüllbar nachweist. Ich habe noch anderes auf dem Herzen. Nehmen wir einen Laien, dem beim Studium solcher Popularschrift eben das Verständnis für den neuen Zeitbegriff aufzudämmern beginnt. Er fühlt sich durch das erwachende Verständnis beglückt, wiederholt sich, um es zu befestigen, die zurückgelegten Gedankengänge, und gerät dabei wiederum an

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