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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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das Wort »gleichförmige Bewegung«. Beim erstenmal hat er den Ausdruck ganz gut verstanden, beim zweitenmal stutzt er. Denn nunmehr, nachdem er gemerkt, daß soviel davon abhängt, will er genau erfahren, was denn das eigentlich sei, eine »gleichförmige Bewegung«. Er späht nach der Definition, und wenn er sie in der Popularschrift nicht findet, so versucht er aus eigener Logik dahinterzukommen. Glückauf! Jetzt hat er's: Ein Körper ist dann gleichförmig bewegt, wenn er in gleichen Zeiten gleiche Raumstrecken zurücklegt; gleiche Zeitabschnitte aber sind offenbar solche, in denen ein gleichförmig bewegter Körper gleiche Raumstrecken zurücklegt, – – A erklärt sich ihm durch B, B durch A, er sitzt in einem Zirkel gefangen, aus dem er sich unmöglich heraushelfen kann; das ist die Zeit der schweren Not, – das ist die Not der schweren »Zeit«.
    Weiteres Studium wird ihn, so hofft er, von dieser Not befreien. Er gerät an den Begriff der »Gleichzeitigkeit«, die ihm neu definiert und als »relativ« entschleiert wird. Er steuert auf den Fundamentalsatz hin, daß jeder Bezugskörper seine besondere Zeit besitzt.
    Dies verdeutlicht ihm seine Popularschrift am Beispiel eines Luftflugzeugs oder besser eines Eisenbahnzuges, der über einenBahndamm dahinsaust und einen Beobachter mitführt. An zwei weitentfernten Punkten auf der Fahrdammlinie sollen zwei Blitzschläge stattfinden, Blitz I und Blitz II. Und die Frage wird aufgestellt: Wann sind diese beiden Ereignisse, die Blitzschläge, »gleichzeitig«; welche Bedingungen müssen hierfür erfüllt sein? Man findet – und das ist unwiderleglich: die von den Blitzpunkten ausgehenden Lichtstrahlen müssen sich im Mittelpunkt der Damm-Strecke treffen.
    Und nun folgt durch eine kurze Verkettung von Überlegungen: Der im Zuge befindliche Beobachter wird den Blitz II – wenn er für den ruhenden Beobachter mit dem anderen Blitz als gleichzeitig zusammentrifft – früher sehen, als den Blitz I, das heißt: zwei Ereignisse, die in bezug auf den Bahndamm als gleichzeitig auftreten, sind in bezug auf das bewegte System (den Zug, oder das Flugzeug) nicht gleichzeitig, also auch umgekehrt.
    Hier stutzt der wißbegierige Laie abermals, denn er fragt sich: Warum werden die beiden Ereignisse gerade durch Blitzschläge ausgedrückt oder signalisiert? Wenn statt deren akustische Signale verwendet werden, so ändert sich doch nichts an der Grundbestimmung, denn die Schallstrahlen (Schallwellen) würden ja gleichfalls im Mittelpunkt der Strecke zusammentreffen, sobald die Ereignisse gleichzeitig auftreten? Woran liegt es denn also, daß die Zeitrelativität durchaus nur auf optischem Wege herauskommt, und daß in allem Weiteren durchaus nur der Lichtstrahl die entscheidende Rolle spielt?
    Und hinter dieser Spezialfrage steht die allgemeinere: Warum nimmt mir denn die Popularschrift nicht die Frage vom Munde weg? Der Verfasser der Schrift ist mir tausendmal überlegen, das weiß ich. Aber gerade kraft dieser Überlegenheit müßte er doch erraten, was in mir vorgeht, wenn ich mich anstrenge, ihm zu folgen.
    Einstein hatte mir mit Geduld zugehört und er zeigte mir nunmehr in längeren Ausführungen zunächst, warum sich in dem gegebenen Fall die optischen Signale nicht durch akustische ersetzen lassen; weil nämlich das Licht die einzige Bewegung ist, die sich als gänzlich unabhängig vom Träger der Bewegung, von dem vermittelnden Medium, darstellt. Die Konstanz der Geschwindigkeit wird also bei jenen Überlegungen vorausgesetzt, und da diese Konstanz einzig dem Lichte zukommt, so muß jede andere Methode zur Untersuchung des Begriffes »Gleichzeitigkeit« als unzulässig ausgeschaltet werden. Er zeigte mir ferner, daß man allerdings auf Grund der Relativität und anknüpfend an das erwähnte Geleis-Experiment zu einer zweifelfreien, vollkommenzirkellosen Darstellung des Zeitbegriffes gelangen könne; allerdings mit einem Aufgebot tiefgründiger physikalischer Betrachtungen, die sich der Wiedergabe an dieser Stelle entziehen.* Er erklärte dazu prinzipiell, daß das Durchnehmen aller denkbaren Einwände, die dem Leser einer Erklärungsschrift aufstiegen, unmöglich und unnütz wäre. Unnütz wegen der Zweckwidrigkeit, denn eine klare Entwickelung ließe sich im Zickzack so vieler Querfragen schwerlich durchführen.
    * In diesen Betrachtungen treten Anordnungen synchroner Uhren auf, die in die Koordinatensysteme eingefügt, und deren Zeigerstellungen miteinander verglichen

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