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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Lichtpünktchen auf der Platte antworteten nicht ohne weiteres mit Ja oder Nein, sondern erst nach peinlicher Befragung mit dem äußersten Aufgebot feinmechanischer Künste.
    Ende September wurde ihre Botschaft vernehmlich. Sie lautete bejahend, und dieses Ja aus transzendenten Fernen fand in der irdischen Welt ein dröhnendes Echo. Wirklich und wahrhaftig: die von Einstein angesagten ein und sieben Zehntel Bogensekunde waren bis auf das Dezimal genau herausgekommen. Die Punktrunen hatten geredet in ihrer pythagoreischen Sprache der Sphärenharmonie. Und indem sich die Kunde verbreitete, hörten wir die Erläuterung des Goetheschen Ariel:
    Welch Getöse bringt das Licht!
Es trompetet, es posaunet,
Auge blinzt und Ohr erstaunet!
    Nie zuvor war Ähnliches erlebt worden. Eine Hochflut des Erstaunens wogte über die Kontinente; tausende von Menschen, die sich sonst ihr lebelang niemals um Lichtschwingungen und Gravitation gekümmert hatten, wurden von dieser Woge ergriffen und emporgetragen, wenn auch nicht zum Begreifen, so doch zu dem Wunsche nach Erkenntnis. Und alle verstanden doch so viel, daß hier aus der Gedankenarbeit eines stillen Gelehrten eine Heilsbotschaft für die Erforschung des Weltalls ergangen war.
    Kein Name wurde in dieser Zeit so viel genannt, wie der dieses Mannes. Alles verschwand vor dem Universalthema, das sich der Menschheit bemächtigt hatte. Die Unterhaltungen der Gebildeten kreisten um diesen Pol, kamen davon nicht los, kehrten, wenn durch Not oder Zufall abgedrängt, immer wieder zum Thema zurück. Die Zeitungen machten Jagd auf Federn, die ihnen Längeres oder Kürzeres, Fachliches oder nur sonst irgend etwas über Einstein zu liefern vermochten. An allen Ecken und Enden tauchten gesellschaftliche Unterrichtskurse auf, fliegende Universitäten mit Wanderdozenten, welche die Leute aus der dreidimensionalen Misere des täglichen Lebens in die freundlicheren Gefilde der Vierdimensionalität führten. Die Damen vergaßen ihre häuslichen Sorgen und unterhielten sich über Koordinatensysteme, über das Prinzip der Gleichzeitigkeit und negativ geladene Elektronen. Alle zeitgenössischen Fragen hatten einen festen Kern gewonnen, von dem sich zu all und jedem Fäden spinnen ließen: die Relativität war das beherrschende und erlösende Wort geworden.
    Soviel Groteskes dabei auch zutage trat, eines ließ sich nicht verkennen: man stand vor den Äußerungen eines geistigen Hungers, der nicht minder gebieterisch auftrat wie der leibliche,und der sich mit den Mitteln der vormaligen Populärwissenschaft und Schöngeistigkeit nicht mehr abfertigen ließ.
    Und während die Volksweisen, Staatsmänner und Tribunen mit der Stange im Nebel umherfuhren, um auf etwas Volksdienliches zu stoßen, fand die Menge das für sie Zweckdienliche, Erbauliche, das ihr von fern wie Wiederaufbau vorkam. Da war ein Mann, der nach den Sternen gegriffen hatte, in dessen Lehre mußte man sich vertiefen, um die irdische Plage zu vergessen. Es war seit undenklicher Zeit das erstemal, daß ein Akkord durch die Welt zog, die gemeinsame Einstellung auf etwas, das wie Musik oder Religion außerhalb der politischen, sozialen und materiellen Interessen lag.
    Schon die Vorstellung: ein lebender Kopernikus wandelt unter uns, hatte etwas Erhebendes. Wer ihm huldigte, hatte das Gefühl, sich über Raum und Zeit zu schwingen, und diese Huldigung bedeutete einen schönen Zug dieser an Erfreulichkeiten sonst so armen Epoche.
    ~ ~ ~
    Wie schon angedeutet, fehlte es auch nicht an seltsamen Blüten, und der Chronist hätte sich davon ein hübsches Album anlegen können. Ich brachte Einstein einige Auslandsblätter mit großen Illustrationen, die ihren Verfassern und Herstellern sicherlich viel Kopfarbeit und Kosten verursacht hatten. Da waren unter anderm seitengroße, prachtvoll gedruckte bildliche Darstellungen, die dem Betrachter den Gang der Sternstrahlen während der totalen Sonnenfinsternis veranschaulichen sollten. Daran hatte Einstein sein helles Vergnügen, nämlich e contrario, denn auf den Blättern stand physikalisch genommen der blanke Blödsinn. Sie zeigten das genaue Gegenteil des wirklichen Strahlenvorgangs dadurch, daß der Zeichnungsentwerfer die Konvexseite der Strahlenbiegung zur Sonne gekehrt hatte. Ja, er besaß nicht einmal von dem Wesen einer Ablenkung eine Ahnung, denn seine Strahlen marschierten streng gradlinig durch das Universum und bekamen in der Sonnennähe einen plötzlichen storchbeinigen Knick. In dem Schwall

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