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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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ergibt für die Sonnenscheibe selbst einen Durchmesser von drei Zentimetern auf der Photographie. Die Sterne erscheinen als minimale Scheibchen, die in Vergrößerung scharfe Begrenzung zeigen. Sichtbar werden die Sterne bis zur 14. Größenklasse und darüber hinaus, während das bloße Auge bei der 6. Größe Halt machen muß. Ein auf der Platte aufkopiertes Gitter mit Strichen von 1 / 100 Millimeter Breite hilft zu weiterer Genauigkeit der Messung, so daß die Positionen der Objekte bis auf wenige Zehntel einer Bogensekunde mit Sicherheit bestimmt werden können. Die bei der Sonnenfinsternis von 1919 gestellte Aufgabe stand mithin im Einklang mit der Leistungsfähigkeit des Verfahrens.
    Man hatte Einstein ein Exemplar dieser Aufnahme von England hergesandt, und er erzählte mir davon in freudig betonten Ausdrücken. Immer wieder kam er auf das reizende Himmelsbildchen zurück, ganz erfüllt von der Sache selbst, ohne die mindeste Hervorkehrung eines persönlichen Interesses an dem Erfolg. Ja, ich gehe noch weiter und irre mich ganz gewiß nicht in der Deutung: er dachte dabei nicht einmal an seine neue Mechanik, noch an deren Bewahrheitung durch das Strahlenexperiment, vielmehr kam hier die Verfassung eines Gemütes zum Vorschein, das sich beim Genie wie beim Kinde in Naivität ausspricht. Ihn entzückte die Hübschheit der Photographie und die Vorstellung, daß der Himmel in Gala dazu Modell gestanden hatte.
    Alles wiederholt sich nur im Leben. In diesen Ereignissen, die den 29. Mai 1919 zu einem hochwichtigen Datum der Wissenschaftsgeschichte stempeln, begab sich Sonnenmythus in Wiederauflebung. Unbewußt dem Einzelnen, aber als eine Äußerung des Gesamtbewußtseins. Auch als Kopernikus die geozentrische zur heliozentrischen Vorstellung umbildete, war Sonnenmythus lebendig gewesen; die Verkörperung des Schicksals im leuchtenden und wärmenden Gestirn. Diesmal stieg er auf, von allen Schlacken gereinigt, kaum noch sinnlich erfaßbar, wie eine Aureole, mit welcher allerfernste Strahlenquellen unsere Sonne umwebten, einem Prinzip zu Ehren. Und wenn auch die meisten bis heute noch nicht wissen, was ein »Bezugsystem« bedeutet, so hatte sich doch ein solches für viele entwickelt: ein geistiges System, auf das sie ihre Erkenntniswünsche bezogen, wenn sie von Einstein sprachen, wenn sie an ihn dachten.

Über unsere Kraft
    Nutzbare und latente Kräfte. – Beziehung zwischen Masse, Energie und Lichtgeschwindigkeit. – Kraftgewinnung durch Verbrennung. – Ein Gramm Kohle. – Ungewinnbare Kalorien. – Kohle-Wirtschaft. – Hoffnungen und Befürchtungen. – Gespaltene Atome.
    29. März 1920.
    Wir sprachen über die Kräfte, die dem Menschen zur Verfügung stehen, die er aus der Natur herauszieht als die notwendigen Voraussetzungen seiner Existenz und aller Lebensgestaltung. Welche Kraftmittel stehen uns zu Gebote? Welche Hoffnung dürfte man sich auf Steigerung dieser Mittel machen?
    Einstein erläuterte zunächst den Begriff der Energie, der aufs innigste mit dem Begriff der Masse selbst zusammenhängt. Jede Substanzmenge, so umschreibe ich, die größte wie die kleinste, kann als ein Kraftspeicher aufgefaßt werden, ja, sie ist im Grunde identisch mit diesen Energien. Was unseren Sinnen und dem gewöhnlichen Verstande als die sichtbare, abtastbare Masse erscheint, als der gegenständliche Körper, zu dem wir in unserer eigenen persönlichen Körperhaftigkeit das Begriffsmaß und deutlich gefühlte Gegenstück erleben, ist physikalisch aufgefaßt, ein Komplex von Energien, die teils unmittelbar wirken, teils als Spannungskräfte ein latentes, verborgenes Dasein führen und für uns Menschen erst zu wirken anfangen, wenn wir sie durch irgendwelche mechanische oder chemische Prozesse aus der Spannung lösen; wenn es uns gelingt, die potentielle in kinetische Energie überzuführen. Ja, man könnte sagen, daß man hier in physikalischer Auffassung ein Abbild dessen gewinnt, was Kant als das »Ding an sich« bezeichnet. Das Ding schlechtweg, wie es unsern gewöhnlichen Erfahrungen erscheint, setzt sich aus der Summe unserer unmittelbaren Wahrnehmungen zusammen; es wirkt durch Umriß, Farbe, Ton, Druck, Stoß, Temperatur, Bewegung, chemisches Verhalten, – das Ding an sich ist die Summe seiner Gesamt-Energie, in der die latent eingelagerten, unserer Praxis nicht zugänglichen, ganz ungeheuer überwiegen.
    Aber dieses Ding an sich, wie es hier vorläufig mit metaphysischem Anklang genannt werden soll, ist

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