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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Offenbarung zwischen Weinen und Jauchzen gekommen wäre, alseine Phantasie von realer Bedeutung. Seiner Idee liegt eine endliche Welt mit einer endlichen Zahl von Atomen zu Grunde. Und aus der Tatsache, daß der gegenwärtige Zustand aus dem unmittelbar vorangehenden geboren wurde, dieser wiederum aus dessen Vorzustand, schließt er, daß er sich vor- und rückwärts wiederholt; alles Werden kehrt wieder, bewegt sich in einem vielfachen Zyklus vollkommen gleicher Zustände.
    Lassen wir die philosophischen Einwände außer Betracht, vor allem den: daß die Wiederkehr der gleichen Atomlagerung durchaus noch nicht die Wiederkehr der gleichen psychischen Zustände verbürgt; unterdrücken wir ferner das Bedenken, daß die Welt auf dem Wege zur Wiederkehr des Gleichen zum Jauchzen nur auf Sekunden, zum Heulen auf Aeonen Grund hätte; – so bleibt die vergleichsweise einfache Frage zurück: ist diese Wiederkehr, rein körperlich genommen, ausdenkbar und möglich?
    Nietzsches Idee wäre ohne weiteres einzusargen, wenn die Antwort eines großen Wirklichkeitsforschers schlechthin verneinend ausfiele. Allein Einstein läßt ihr noch einen kargen Rest der Lebensmöglichkeit. Die Ewige Wiederkunft, so äußerte er, kann wissenschaftlich nicht mit völliger Sicherheit abgeleugnet werden. Mit diesem Minimum von Zugeständnis werden sich die Nietzscheaner bescheiden müssen. Denn was für Nietzsche eine Denknotwendigkeit bedeutete, verwandelt sich in Einsteins Nachsatz in eine wesentlich der Phantasie entsprungene vage Annahme: Die Wiederkehr des Gleichen ist vom physikalischen Standpunkt aus als »ungeheuer unwahrscheinlich« aufzufassen. Diese Ansage stützt sich vornehmlich auf den berühmten zweiten Hauptsatz der Wärmetheorie, nach welchem die Prozesse des Naturgeschehens sich überwiegend als irreversibel (nicht umkehrbar) darstellen, wodurch eine einseitige Tendenz der Weltvorgänge zum Ausdruck kommt. Die Tatsache der zeitlichen Einsinnigkeit des uns umgebenden Geschehens spricht dafür, daß wir das Weltgeschehen als ein einmaliges aufzufassen haben.
    Wenn sich also Nietzsche im Gegensatz dazu für die Wiederholung begeisterte, so widersprach er zum mindesten einem anerkannten Satz der Physik. Daß er sich des Widerspruchs nicht bewußt wurde, vielmehr seine Idee als die bedeutsamste seines Denkerlebens feierte, mag als Probe einer docta ignorantia gelten. Aber auch philosophische Phantasien, die das dichterische Weltbild vervollständigen, mögen einmal ausgesprochen werden; und Nietzsche wäre vermutlich um eine Denkerfreude ärmergewesen, wenn er von jenem Satz der Thermodynamik eine Ahnung gehabt hätte.
    »Die Wahrheit ist der zweckmäßigste Irrtum«, lautet ein Satz, der auf eine Gedankenreihe Nietzsches zurückgeht. Aber gerade an diesem Satz zerbricht die Ewige Wiederkunft, die nach ihrer Wirkung gemessen sich als ein höchst unzweckmäßiger Irrtum herausstellt.
    * * *
    Gesetzt, wir gelangten zum Gedankenverkehr mit den Bewohnern entfernter Welten und erführen hierdurch die Elemente einer zeitlich vorgeschrittenen, uns überlegenen Kultur – würde uns diese Kenntnis zum Segen oder Unsegen gereichen?
    Das Wort »überlegen« ist natürlich mit Vorsicht aufzunehmen. Es soll nur relativ bezeichnen, daß jene Fern-Kultur sich zu der unsrigen von heute etwa verhielte, wie unser Kulturbesitz zu dem eines Australnegers oder eines anthropoiden Affen. Es gibt Fortschrittsfanatiker, deren Wünsche hemmungslos in die Zukunft fliegen, und denen nichts erwünschter wäre, als das Aufblitzen einer Kultur, die uns, wie sie meinen, mit einem Schlage um viele Jahrtausende »vorwärts« bringen könnte.
    Aber die Auffassung dieser Siebenmeilenstiefler ist unhaltbar. Hier nur ein Ansatz aus der Fülle der Gegenargumente in wenigen Worten Einsteins: Jede plötzliche Änderung der Existenzbedingungen, träte sie auch in den Formen höherer Entwicklung auf, würde uns wie ein Verhängnis überfallen, und uns wahrscheinlich vernichten, so wie die Indianer der sie überflügelnden Kultur erliegen. Schon die Tragik unserer kultivierten Zeit liegt darin, daß wir nicht vermochten, die sozialen Organisationen zu schaffen, welche durch die technischen Fortschritte des letzten Jahrhunderts notwendig wurden. Daher die Krisen, Stockungen, sinnlosen Konkurrenzkämpfe zwischen den Nationen, daher auch die Ausbeutung schutzloser Individuen; Mißstände, die sich ins Unübersehbare steigern würden, wenn noch gar eine außerirdische Technik

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