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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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anders gestalten. Der Beobachter am Bahndammmüßte nämlich erklären, daß der Hinweg und der Rückweg des Lichtstrahls verschiedene Zeiten beansprucht.
    Denn der nach vorn eilende Strahl hat ja nicht nur die Entfernung zwischen Hintermann und Vordermann zurückzulegen, sondern dazu auch die ganz kurze Strecke, die Vordermann während der Fortpflanzung dieses Lichtstrahls gefahren ist; während umgekehrt der zurückgesandte Strahl einen kürzeren Weg als die Distanz beider Reisenden zurückzulegen hat, weil Hintermann dem Signal entgegenfliegt. Die Zeitdauern der beiden Lichtausbreitungsvorgänge sind also gleich, beziehungsweise ungleich, je nachdem sie vom Zug oder vom Bahndamm aus beurteilt werden. Anders ausgedrückt: die Beurteilung der Zeit hängt vom Bewegungszustand des Beobachters ab.
    Alle weiteren Elemente der Speziellen Relativitätstheorie gründen sich auf die vorstehenden Betrachtungen der Zeitrelativierung. –
    * * *
    Wäre der Aufbau einer Wissenschaft möglich, wenn die Menschen einen Sinn weniger besäßen? wenn sie gar augenlos wären? Auf einen bestimmten Fall bezogen: In der neuen Physik spielt die Lichtgeschwindigkeit als Weltkonstante eine entscheidende Rolle. Es erscheint daher zunächst unfaßbar, daß sie ermittelt und in ihrer Bedeutung festgestellt werden könnte, wenn der Mensch über kein Organ zur Erfassung optischer Erscheinungen verfügte.
    Aber auch unter so erschwerenden Umständen wäre, wie mir Einstein erklärte, der Aufbau der Wissenschaft möglich. Weil nämlich die Erscheinungen hinsichtlich ihrer Wahrnehmbarkeit so transformiert werden können, daß sie sich beim Fehlen eines Sinnes einem andern offenbaren. So zum Beispiel wird das Element Selen in seinem elektrischen Leitungsvermögen durch Belichtung stark beeinflußt. Das Licht bewirkt also bei Anwendung einer Selenzelle Stromänderungen, die wiederum durch das Gefühl und die Zunge wahrgenommen werden können. Im letzten Grunde kommt es nur auf Unterscheidbarkeiten an, die es uns ermöglichen, gleiche Erlebnisse auf gleiches Geschehen zurückzuführen. Gewiß würden ungeheure Schwierigkeiten in der physikalischen Beurteilung der uns umgebenden Welt auftreten, wenn die Anzahl der Sinne beschränkt wäre gegenüberden Organen, mit denen wir operieren. Allein prinzipiell müßten sich alle Schwierigkeiten überwinden lassen, auf unübersehbar verlängerten und komplizierten Forschungswegen, selbst wenn dem Menschen nur ein einziger Sinn verbliebe oder von Urbeginn verliehen wäre. Der Aufbau der Wissenschaften wäre daher möglich und würde sich – bei aller Verzögerung vielleicht um Jahrmillionen – in den Ergebnissen nicht ändern.
    [Voraussetzung bliebe freilich die Aufrechterhaltung des Intellekts, als der Bedingung für wissenschaftliche Forschungen überhaupt. Da die Verstandesstärke von den Sinnen abhängt – nihil est intellectu, quod non prius fuerit in sensu – so dürfte man vermuten, daß der ein-organige Mensch mit einem Minimalgrad des Verstandes arbeitet, der zur Gewinnung irgendwelcher Erkenntnisse überhaupt nicht ausreicht. Diese transzendente, an der Grenze der Diskutierbarkeit liegende Frage wurde hier nicht erörtert, da das Thema genau abgesteckt war und sich nicht in metaphysische Spekulationen verlieren sollte.
    Ich möchte indes erwähnen, daß die Wissenschaftsgeschichte eine derartige Spekulation als Berühmtheit verzeichnet: Condillac untersuchte in einer geistreichen Studie (1754) das Verhalten einer »Statue«, die er als lebenden Menschen hinstellt, unter der Voraussetzung, daß in der Seele dieses Menschen noch gar keine Vorstellung existiert. Er schließt dieses Lebewesen mit einer Marmorhülle ab und öffnet die Hülle zunächst so weit, daß nur ein einziges Organ, der Geruchssinn , tätig sein kann. Und er zeigt alsdann, daß sich auf Grund dieses einzigen Sinnes Empfindungen und Willensäußerungen aller Art in seiner »Statue« entwickeln werden. Indes unternimmt Condillac keinerlei überzeugenden Beweis darüber, daß diese auf den Geruchssinn beschränkte Kreatur befähigt wäre, die naturgesetzlichen Zusammenhänge physikalisch zu erschließen und dadurch ein wissenschaftliches System aufzubauen. Einstein geht also in dieser Hinsicht wesentlich über die Möglichkeiten hinaus, die dem Autor jener »Statue« vorschwebten.]
    * * *
    Hat die »Ewige Wiederkunft« , so wie sie von Nietzsche entworfen wurde, einen Sinn?
    Der Weise von Sils-Maria sagt uns, daß ihm diese

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