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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Mittelmaß. Er war als Schüler ordentlich, genügte ungefähr den Anforderungen, verriet aber in keiner Weise eine besondere Beanlagung; um so weniger, als er sich als Inhaber eines höchst unzuverlässigen Wortgedächtnisses erwies. Die Methodik der Elementarschule, die er bis zum zehnten Lebensjahre besuchte, entfernte sich aber nicht von dem landesüblichen, von Drillmeistern entworfenen Schema, sie ersetzte durch drakonische Strenge, was ihr an Einsichten fehlte. Das schöne Wort Jean Pauls: »die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können«, findet in Einsteins Schulerinnerungen keinen Widerhall. Er hat sie oft genug vor mir ausgebreitet, ohne den mindesten paradiesischen Nachhall. Mit bitterem Sarkasmus sagte er mir: diese Lehrer hatten den Charakter von Unteroffizieren, – die weiteren am Gymnasium waren dann überwiegend dem Leutnantscharakter zugewendet. Beide Bezeichnungen sind im vormärzlichen Sinne zu verstehen und richten sich gegen Ton und Gepflogenheiten der selbstherrlichen Kaserne von Anno Olim.
    Die nächste Etappe der Entwickelung ist das Münchener Luitpold-Gymnasium, das ihn als Oberquintaner aufnahm. In der rückblickenden Beurteilung des Mannes werden einige freundlichere Töne vernehmbar, die indes nur einzelnen Persönlichkeiten gelten, ohne daß für das Ganze eine sonderliche Hymne herauskäme. Aus seiner Darstellung geht im Gegenteil hervor, daß er zwar einzelne Lehrer liebgewann, sich aber von dem Geist der Anstalt rauh angeweht fühlte. Man weiß, daß sich seitdem manches auf diesen Lehranstalten zum Vorteil verändert hat, in Abkehr von dem zuchthausartigen Charakter, der damals, leidvoll genug für den Schüler, das Wesen der Institute bestimmte; mit der Folge, daß sich im Gymnasiasten Einstein eine Geringschätzung menschlicher Einrichtungen entwickelte und eine abschätzige Wertung der Studienstoffe, deren geistlosem und schablonenhaftem Betrieb er ausgesetzt war. In dem grauen Bilde treten als hellere Punkte die Figuren einiger Lehrer hervor, zumal ein Präzeptor namens Ruëss, der dem vierzehnjährigen die Schönheit des klassischen Altertums zu erläutern beflissen war. Wir erfahren an anderer Stelle, daß Einstein gegenwärtig das humanistische Bildungsideal für die Zukunftsschule nur mitsehr starker Einschränkung gelten läßt. Gedenkt er aber jenes Magisters und seines Einflusses, so klingt in seinen Worten doch eine lebhafte Verehrung der Klassizität, gelegentlich sogar eine stürmisch hervorbrechende Liebe zu den Schätzen der griechischen Geschichte und Literatur. Es blieb nicht bei der Einstellung des Blickes auf die Antike. Von dem nämlichen Mann geleitet, näherte er sich der heimatlichen Dichterwelt, der Zauber Goethes strahlte ihn an aus »Herman und Dorothea«; die Dichtung wurde ihm, wie er bekennt, in geradezu vorbildlicher Weise zugeführt und erläutert. Es gab also Oasen in der Wüste des Schablonen-Unterrichts, Erquickungsstationen für die Seele des wissensdurstigen Knaben.
    Wir müssen ein bis zwei Jahre zurückgreifen, um ein großartiges Erlebnis festzuhalten: er machte die erste Bekanntschaft mit der elementaren Mathematik, die ihm mit der Gewalt einer Offenbarung entgegentrat. Nicht in der Form des Schulfaches, sondern mit der Magie eines rätselhaften Wesens, das ihn mit Fragen aufrief und ihm für deren scharfsinnige Beantwortung geistige Wonnen verhieß. Von Anfang an bewährte sich Albert als ein sehr guter Problemlöser, obschon ihm keine rechnerische Virtuosität zur Verfügung stand, und ihm die Technik der Gleichungsansätze fremd war. Er half sich mit Kunstgriffen, erprobte auf Umwegen Findigkeiten, freudig erregt, wenn sie zum Ziel führten. Einen in München lebenden Oheim, den Ingenieur Jakob Einstein, befragte er eines Tages nach etwas besonderem. Er hatte den Ausdruck »Algebra« gehört, und vermutete, daß jener ihm darüber würde Aufschluß geben können. Onkel Jakob erteilte ihm den Bescheid: »Algebra«, so erklärte er, »ist die Kunst der Faulheitsrechnung . Was man nicht kennt, das nennt man x, behandelt es so, als ob es bekannt wäre, schreibt den Zusammenhang hin und bestimmt dieses x dann hinterher.« Das genügte vollkommen. Der Knabe bekam ein Buch mit algebraischen Aufgaben, die er nach jener zwar nicht erschöpfenden, aber doch ganz zweckdienlichen Lehre ganz allein löste. Onkel Jakob verkündete ihm bei anderer Gelegenheit den Wortinhalt des Pythagoreischen Lehrsatzes, ohne

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