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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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Körpers, gar keinen Eindruck auf ihn hervorbrachten. Der Kompaß und immer nur der Kompaß! Dies Instrument redete zu ihm in einer stummen Orakelsprache, wies ihn auf ein elektromagnetisches Feld, das sich ihm Jahrzehnte später zu fruchtbaren Studien erschließen sollte.
    Sein Vater, ein heiterer, optimistisch gestimmter Mann, zu fröhlicher, nicht zielstrebiger Lebensauffassung geneigt, verlegte ungefähr zur selben Zeit den Aufenthalt der Familie von Ulm nach München. Hier umfing sie ein bescheidenes, in einem großen Garten idyllisch gelegenes Häuschen. Der Knabe geriet in arkadische Empfindungen, die sonst den jungen Bewohnern der städtischen Steinwüsten verschlossen bleiben. Die Natur hauchte ihn an und träufelte, zumal im erwachenden Frühling, Wonnen in sein Herz, denen er sich mit wortloser Beschaulichkeit freudig hingab. Eine religiöse Grundstimmung erwuchs in ihm, genährt durch elementare Eindrücke aus Luft und Duft, aus Busch und Blüte, verstärkt durch erzieherische Einflüsse in Haus und Schule. Nicht als ob in der Familie Gepflogenheiten ritueller Art geherrscht hätten. Allein es fügte sich, daß er zugleich eines jüdischen wie eines katholischen Religionsunterrichts teilhaftig wurde, und daß er in beiden Lehren nicht das Trennende, sondern die glaubensstärkenden Gemeinsamkeiten empfand.
    Jungenhafte Willensstärke, wie sie sich bei Gleichaltrigen in übermütigem Gebahren und losen Streichen entlädt, kam bei ihm nicht zum Vorschein. Seine Seelenverfassung war auf das Kontemplative eingestellt, und ein angeborener, mit traumhaften Übersinnlichkeiten durchsetzter Fatalismus versagte ihmdie lebhafte Beantwortung äußerer Impulse. Er reagierte langsam, zaghaft, verarbeitete in innerlichen, gottesfürchtig gerichteten Deutungen, was die Sinne und die kleinen Erlebnisse der Frühzeit ihm zuführten. Schwer glitt ihm das Wort von der Zunge, und nach üblichem Ausmaß des Lerntempos, wie es in Rede und Gegenrede beurteilt wird, hätte man in ihm kaum einen besonders Beanlagten vermutet. Hatte er doch vordem so spät sprechen gelernt, daß sich seine Eltern wegen einer etwaigen Abnormität des Sprößlings mit Ängsten trugen. Jetzt, im Alter von acht, neun Jahren, bot er das Bild eines schüchternen, zögernden, ungeselligen Knaben, der für sich dahinwandelte, dahinträumte, ohne Anschlußbedürfnis seine Schulwege zurücklegte. Man gab ihm den Spitznamen »Biedermaier«, weil man ihn für krankhaft wahrheits- und gerechtigkeitsliebend hielt. Was der Umgebung damals als krankhaft erschien, mag heute als der Ausdruck eines uranfänglichen, unbesieglichen Naturtriebes betrachtet werden. Wer Einstein als Menschen und Gelehrten kennt, der weiß, daß jene kindliche Krankheit nur als der Vorbote einer eisenfesten Gesundheit in der Denkart des Mannes aufgetreten ist.
    Sehr früh regte sich in ihm die Liebe zur Musik. Er dachte sich Liedchen zur Ehre Gottes aus und sang sie für sich in andächtiger Verschlossenheit, die er auch seinen Eltern gegenüber schamhaft zu wahren wußte. Musikalisches, Landschaftliches und Göttliches verschmolz in ihm zu einem Gefühlskomplex, zu einer sittlichen Einheit, deren Spuren niemals verschwanden, wenn auch späterhin das positiv Religiöse sich zu einer allgemeinen ethischen Weltbetrachtung ausweitete. Vorerst blieb es bei einer zweifelsfreien Gläubigkeit, wie sie ihm aus dem jüdischen Privatunterricht im Hause und dem katholischen in der Schule zufloß. Er las die Bibel ohne das Bedürfnis nach kritischer Erörterung zu verspüren, nahm sie als naiv-moralisches Erlebnis in sich auf und fand um so weniger Veranlassung zu einer prüfenden Verstandesbetätigung, als seine Lektüre über den Bibelkreis nur wenig hinausging.
    Schmerzliche innere Bedrängungen blieben freilich nicht aus. Die jüdischen Kinder befanden sich auf der Schule in verschwindender Minderheit, und der kleine Albert erlebte hier die ersten Schaumspritzer der antisemitischen Welle, die von der Flut da draußen herangetragen, Katheder und Schulbank bedrohte. Jetzt zum erstenmal fühlte er sich von etwas bedrängt, was mit den einfachen Klängen seines Gemütes dissonierend zusammenstieß. Er sah sich mit seiner Schüchternheit demUnrecht ausgesetzt, und im Stande der Notwehr gewann seine ursprünglich so weiche und zaghafte Natur eine gewisse Widerstandsfähigkeit und Verselbständigung.
    Soweit man in einer Vorschule von Leistungen reden kann, blieben sie bei Albert in einem bescheidenen

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