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Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt

Titel: Einstein - Einblicke in Seine Gedankenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Moszkowski
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beschlossen, deren volle Tragweite dem ersten Beobachter vor hundert Jahren gewiß nicht ins Bewußtsein fallen konnte; bei aller Genialität des Dänen, für die seine Abhandlung vom Juli 1820 »Experimenta circa effectum conflictus electrici in acum magneticam« das klassische und vielgefeierte Dokument bildet. Sie machte das Feld frei für Intuitionen, die für die Theorie in gleichem Maße befruchtend wurden, wie für die Praxis. Dreizehn Jahre nach jener ersten Entdeckung erlebte die Welt deren folgenschwere Ausgestaltung in Gauß' und Webers elektrischem Telegraphen, und bald darauf verkündete der bedeutende Forscher Fechner in Leipzig seine Überzeugung, binnen zwei Jahren würde der Elektromagnetismus alles Maschinenwesen gänzlich umgestalten,Dampf- und Wasserkraft völlig verdrängen. Freilich, er maß viel zu kurz im Ausmaß der Zeiten. Erst der heutigen Generation ist es klar geworden, daß wir in einer elektromagnetischen Welt leben und theoretisch wie praktisch ein elektromagnetisches Dasein zu absolvieren haben. Der Anfang dieser Erkenntnis schwebte auf einer zitternden Nadelspitze, aus ihr erwuchs die elektromagnetische Notwendigkeit, die wir uns so gern als unsere Dienerin vorstellen, während sie in Wahrheit uns alle beherrscht.
    *
    Ein beträchtlicher Teil der Entdeckungsgeschichte wäre umzuredigieren. Die Archimedische Spirale ist nicht von Archimedes, das Mariotte'sche Gesetz nicht von Mariotte, die Cardanische Formel nicht von Cardano, die Crookes'sche Röhre nicht von Crookes, und der Galvanismus hängt mit Galvani eigentlich nur anekdotisch zusammen. Ein zufälliges Küchenerlebnis der Frau Galvani, – ein halbabgezogener Frosch, der zum Abendbrot geröstet werden sollte und zwischen Skalpell und Zinnteller nahe bei einer zufälligen Funkenentladung in Metallberührung zuckte – eine sehr naive Deutung des Vorgangs durch den Hausherrn –, das waren die Anzeichen, unter denen der Galvanismus in die Welt trat. Es wäre ein müßiges Beginnen, hier die Beziehungen zwischen Experiment und Grundgedanken aufspüren zu wollen, da dieser erst in Alexander Volta lebendig wurde. Was unter Galvanis Händen Froschballett geblieben war, gedieh nun durch einen denkenden Physiker, der die »Spannungsreihe« aufstellte, zum Range einer Entdeckung, die weiterhin durch Nicholson, Davy, Thomson, Helmholtz, Nernst Würde und Macht gewann. Das Wort Galvanismus müßte – zugunsten von Voltaismus – gänzlich verschwinden, wie so mancher Ausdruck, bei deren Entstehung Zufall und Mißverstand Pate gestanden haben.
    Oft genug tritt das Experiment als berichtigende Tatsache neben den Grundgedanken, den es weder bestätigt, noch auch widerlegt, sondern sozusagen in Erziehung nimmt, um ihn zu stärken und von anhaftenden Fehlern zu befreien. Derartige Experimente, teilweise unter Mitwirkung des Zufalls, spielen in den Arbeiten von Dufay, Bradlay, Foucault, Fresnel, Fraunhofer, Röntgen eine gewichtige, mehrfach entscheidende Rolle. Faraday, der gar nicht anders beobachten konnte, als mit intensivem Vorausblick, mußte doch im Verfolg der Induktionserscheinungen seine Ausgangsvorstellung wesentlich verändern, und gerade diese Korrektur am Experiment stellt Faraday's eigentliche Entdeckungvor. Vielfach wird die Ausgangsvorstellung durch den Erfolg korrigiert, ja überwältigt. Kolumbus handelte methodisch, als er auf dem Westwege Ostindien erreichen wollte; was er entdeckte, war aber nicht die Bestätigung seiner nautischen Annahme, sondern etwas Gewaltigeres, das nicht in seiner Berechnung liegen konnte. So wurde er Vorbild aller Finder, die ihr Programm wesentlich anders dachten und aufstellten, als nachträglich durch den Fund bewahrheitet wurde. Zu ihnen gehören Priestley und Cavendish, die an der irrtümlichen Idee des Phlogiston noch festhielten, als sie schon in ihren eigenen Element-Entdeckungen, Sauerstoff und Wasserstoff, den Gegenbeweis in Händen hatten. Graham-Bell, der Erfinder, wollte etwas ganz anderes erfinden, als ihm später gelang: er suchte als Taubstummenlehrer die Klänge sichtbar darzustellen, um seinen Zöglingen die Lautbildung verständlich zu machen, hierbei kam er auf einen elektrischen Apparat, und dieser führte zum Telephon.
    Den wirklichen, schärfsten Kontrast zum Experimentum crucis zeigt das Experiment, wenn es genau das Gegenteil dessen beweist, was der Forscher erwartet hatte. Da aber ein vollkommenes Nein auch ein sehr starkes Ja enthält – nämlich hier die Bejahung eines

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