Einstein, Quantenspuk und die Weltformel (German Edition)
lichtschnellen Raumschiff ein unendliches Leben im alltäglichen Sinn erwarten. Viel mehr führt dieses Unterfangen die Astronauten in die Zukunft. Allenfalls sogar sehr weit, je nachdem, wie lange das Raumschiff seine Geschwindigkeit beibehält. Allerdings hat die Sache einen kleinen, aber feinen Haken. Die Handlungsfreiheit ist nämlich im gleichen Masse eingeschränkt wie der Lauf der Zeit. Wenn sich ein Astronaut am Kopf kratzen will, braucht er unendlich lange, um auch nur seinen Finger zu bewegen. Genau genommen könnte er nicht einmal den Gedanken ersinnen, sich am Kopf kratzen zu wollen, da auch die Übertragung der Gehirnströme unendlich lange dauern würde. Zeitstillstand heisst auch Ereignisstillstand. Die Astronauten altern zwar nicht, dafür ist ihre Handlungsfreiheit auf null eingeschränkt. Wenn die Zeit still steht, wie beispielsweise am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs, braucht jede Tätigkeit unendlich lange, um ausgeführt zu werden. Das gilt natürlich nicht nur für Menschen und Uhren, sondern für alle Geräte und jeden Prozess überhaupt innerhalb des Raumschiffs. Sobald das Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit fliegt, könnte es nie wieder aus eigenem Antrieb gestoppt werden. Weder durch einen Computer noch durch eine manuelle Steuerung, da jede dieser Handlungen unendlich viel Zeit in Anspruch nehmen und dadurch nie ausgeführt werden würde.
Nun gut. Da ohnehin keine Materie auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden kann, konzentrieren wir uns auf die Frage, welche praktischen Konsequenzen es für unsere Astronauten hat, wenn wir das Raumschiff mit fast Lichtgeschwindigkeit bewegen. Also fast, aber nicht ganz mit Lichtgeschwindigkeit. In diesem Fall vergeht die Zeit an Bord relativ langsam, steht aber nicht still. Die Astronauten altern, aber wesentlich langsamer als wir, die auf der Erde der Dinge harren, die da kommen mögen.
Um herauszufinden, ob ein Raumschiff eine geeignete Zeitmaschine ist, um Menschen in die Zukunft zu befördern, plant die Weltraumbehörde eine Mission, mit der diese Frage beantwortet werden soll. Astronaut Peter ist beim Training im Ausbildungscamp stets tüchtig und liest an jedem Tag genau ein Sachbuch über Biologie, Chemie, Physik oder Zauberlehrlinge. Wenn er zu fernen Sternen reist, will er auch etwas über die Beschaffenheit der Natur wissen und damit seine Entdeckungen besser verstehen können. Oder so ähnlich. Aus irgendeinem guten Grund hat er auf jeden Fall jeden Tag genau ein Buch gelesen und damit in den 200 Tagen seiner Ausbildung genau 200 Werke mehr oder weniger geistig hochstehender Literatur verarbeitet. Nun sitzt Peter im Raumschiff und fliegt mit fast Lichtgeschwindigkeit durch das Weltall auf der Suche nach fernen Galaxien, Sternen und Planeten. Bevor das Raumschiff zu seiner Mission gestartet ist, hat Peter einige Versuchseinrichtungen und Instrumente aus dem Laderaum geworfen und durch eine Ladung Bücher ersetzt, damit ihm auf der langen Reise nicht langweilig wird. Mission Control hat daraufhin seine Bücher rausgeworfen und durch ein E-Book ersetzt. In Zeiten, da Raumschiffe zu anderen Sternen reisen, sollte man den wertvollen Platz nicht mit schweren Büchern verschwenden. Das Raumschiff startet und fliegt mit hohem Tempo von dannen, so dass die Zeit für das Raumschiff zehnfach langsamer vergeht als auf der Erde. Wenn Peter auf seiner Uhr abliest, dass er vier Jahre gereist ist, sind auf Mutter Erde vierzig Jahre vergangen. Wie viele Bücher kann Peter folglich in den ersten 200 Tagen seiner Reise im Raumschiff lesen?
Damit wir diese Frage beantworten können, müssen wir festlegen, aus welcher Perspektive wir die Tage berechnen. Wenn nämlich 200 Tage auf der Erde vergangen sind, wird er nicht 200 Bücher, sondern erst 20 Bücher gelesen haben. Wenn 200 Tage aus Sicht von Peter ins Land gezogen sind, wird er 200 Bücher gelesen haben, auf der Erde werden aber derweilen schon 2000 Tage beziehungsweise über fünf Jahre vergangen sein. Obwohl für Peter die Zeit im Raumschiff wesentlich langsamer vergeht, kann er in derselben Zeit nicht mehr Bücher lesen als damals im Ausbildungszentrum. Dieser obskure Umstand hängt damit zusammen, dass alle Vorgänge im Raumschiff von der Zeitdilatation betroffen sind. Alles, was im Raumschiff passiert, spielt sich in Zeitlupe ab 29 .Einerseits altert Peter langsamer und steigert seine Lebenserwartung dadurch von achtzig auf achthundert Jahre. Andererseits benötigt er entsprechend zehn
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