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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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anderer, doch aus Bescheidenheit oder Solidarität zu lange zögert; und es gelang mir auch, ihn so anzuspielen, daß er zwei musterhafte Tore warf: schräg stieg der Ball über den herausgelaufenen Torwart, schien in der Luft zu stoppen und senkte sich so sanft und berechnet ins Netz, daß sogar der Bodelsbacher Torwart klatschte, während Hartwig auf mich zulief und Danke, Klaus, sagte, danke, und gleich verlegen unter dem Beifall der Zuschauer zurücklief.
      Als Plessen uns in der Pause um sich versammelte, war keiner so erschöpft wie Klaus Körner, der sich gleich auf die Bank unter den Kleiderhaken fallen ließ und das Sprudelwasser nicht dazu benutzte, seinen Mund auszuspülen, sondern die ganze Flasche austrank, ohne abzusetzen, und kaum zuhörte, was Plessen uns an taktischen Ermahnungen mitzugeben hatte. Obwohl er vier Tore geworfen hatte, schien es ihm an Training, in jedem Fall an Kondition zu fehlen, er pumpte und pumpte, wandte sein schweißglänzendes Gesicht dem geöffneten Fenster zu, wobei er die Beine wegspreizte und die Schultern zurückbog, und wer ihn so sah, fragte sich unwillkürlich, ob Klaus die zweite Halbzeit würde durchhalten können. Wirst du durchhalten, fragte ihn Plessen, bevor wir auf das Spielfeld zurückkehrten, und er darauf, lässig aufwachsend aus seiner Bankecke, ein Athlet, den sie für alles hätten werben lassen können: Klar, Günther, was denn sonst.
      Wie deutlich ihre Sorge aufstieg, wie ihre Aufmerksamkeit für mich wuchs, das bekam ich schon zu spüren, als ich mich bei der Lagebesprechung auf die Bank setzte und mein Trikot, das schwarz war vor Schweiß - aber wann wäre es anders gewesen -, nicht gegen das frische tauschen wollte, das Hartwig mir hinhielt. Ihre skeptischen, abfragenden Blicke streiften mich, als ich dort saß - auf nichts weiter aus, als mich zu entspannen, zu lockern; doch da ich so lange weder mit der Mannschaft trainiert noch gespielt hatte, glaubten sie wohl, mir ihre Anteilnahme zeigen zu müssen oder doch ihre Besorgnis. Und als wir dann zurückkehrten auf das Spielfeld, stubsten, beklopften, ermunterten sie mich durch schnelle Berührungen, und auf ihren Gesichtern erkannte ich nicht nur das Einverständnis mit meinem bisherigen Spiel, sondern auch die Bereitschaft, über alles hinwegzusehn, was in einigen vergangenen Spielen geschehen sein mochte; ja, und ich spürte auch ihre Freude, daß ich wieder dabei war, und den Wunsch, mich bei den Begegnungen um den Europa-Pokal wieder
    dabeizuhaben.
      Beifall empfing uns, als wir zur zweiten Halbzeit erschienen; den stärksten Beifall erhielt Klaus Körner, als er die ausverkaufte Halle betrat; es war eine neue Halle, die mit dem Spiel gegen Bodelsbach eingeweiht wurde, und unter den mehr als zweitausend Zuschauern waren einige hundert, die hinter unserm Tor Sprechchöre bildeten und Bodelsbach anfeuerten. Es hatte fast den Anschein, als hätten sie die Hälfte ihrer Einwohner zum Spiel ihrer Mannschaft beordert, und einer von ihnen, vielleicht der Bürgermeister oder der Direktor der Marmeladenfabrik, trat als Einpeitscher auf und gab die Zeichen zu lautstarkem Einsatz. Und die Halle dröhnte, sie bebte und dröhnte, sobald Bodelsbach zu stürmen begann.
      Den hatten sie sicher in der Pause verabredet, diesen Überraschungsangriff gleich nach dem Anwurf: Ole Zesch, ihr bester Spieler, war durch, flog auf den Kreis zu und setzte zum Wurf an; da konnte Hartwig nur die Notbremse ziehn und durchstecken, worauf der bullige, kurzhalsige Verteidiger von Bodelsbach in den Kreis fiel und sich überschlug; doch den Siebenmeter schoß er selbst - nicht einmal listig oder angetäuscht, sondern mit so unbarmherziger Wucht, daß Werner bei uns im Tor zwar den Ball mit den Fingerspitzen berührte, aber ihn nicht halten konnte. Die Wucht des Schusses schien ihn selbst in sein Tor hineinzuschleudern. Enttäuscht angelte er sich den Ball und drosch ihn zur Mitte, mir in die Arme, und ich wartete, bis die andern Spieler zurückgelaufen waren, und in dieser Zeit hörte ich den triumphierenden Bodelsbacher Sprechchor, der zum nächsten Tor aufforderte, hörte aber auch zum ersten Mal den Sprechchor unserer Leute, die nichts anderes taten, als meinen Namen zu skandieren: Körner, Körner; das stieg auf wie ein Brausen und begleitete und trug mich, solange ich den Ball hielt.
      Anscheinend rechnete sich Bodelsbach eine Chance aus, nun, wo wir nur noch siebenzuvier führten; auch die Zuschauer ergriff

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