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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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an.
      Was hat er angestellt, der Sohn, fragte der Mann mit der Stahlbrille.
      Mir kannst du dieses Nest schenken, sagte der Rothaarige.
      Während die beiden reden, sagte der Korrektor, erscheint der Sohn plötzlich, nein, er ist schon da, er steht oben und hört den Männern zu, und auf einmal sagt er zu seinem Vater: ›Es stimmt. Du weißt es nicht, aber es ist geschehen. Seit dem Unglück damals, als unser Boot kenterte und wir gegen die Felsen trieben - seit diesem Tag kann ich sehen.‹
      Steht das so in der Geschichte, fragte der Mann mit der Stahlbrille.
      Nein, sagte der Korrektor, aber so ähnlich oder vielleicht doch so. Beide Männer befehlen dem Sohn, herabzukommen; er weigert sich, er bleibt oben auf der Treppe stehen, und da er zu wissen scheint, was ihn erwartet, sagt er zum Bürgermeister: ›Ja, ich kann seit acht Wochen sehen, damit ihr das nur wißt, und seit acht Wochen kenne ich Tekhila.‹ Er fordert sie auf, zu ihm heraufzukommen. Er lädt sie höhnisch ein, ihn zu fangen. Der Lehrer bespricht sich leise mit dem Bürgermeister, und dann steigen beide zum Jungen hinauf, der mühelos vor ihnen flieht und der, während er flieht, ihnen ein Angebot macht. Was für ein Angebot, fragte der Rothaarige.
      Morgen könnt ihr's nachlesen, sagte der Korrektor. Der Junge will ihnen die Möglichkeiten von Tekhila zeigen, er will ihnen helfen, noch mehr herauszuholen für sich. Vor ihnen zurückweichend, erzählt er, was er in acht Wochen entdeckt hat.
      Und das interessiert sie nicht, sagte der Rothaarige. Sie verstehen ihn nicht, sagte der Korrektor. Das ist einzusehen, sagte der Rothaarige und ließ seine Karten schnurrend über den Daumen laufen. Jedenfalls treiben sie den Jungen nach oben, sagte der Korrektor, er flieht gemächlich vor ihnen her, und sie folgen ihm schweigend und dicht nebeneinander; sie treiben oder drücken ihn vor sich her, der Junge öffnet das Bodenfenster - nein, das ist unwahrscheinlich: er öffnet ein Fenster, klettert hinaus, hängt mit gestrecktem Körper da und läßt sich dann fallen. Der Fall, der Aufschlag wird von den anderen gehört, sie scheinen darauf gewartet zu haben. Sie nehmen sich sehr fest bei den Händen. Sie rücken zusammen. Wie sie da stehen! Mit lauschenden Gesichtern, gekrümmt, einen Fuß vorgestemmt, als müßten sie einen Ansturm auffangen. So stehen sie da, während der Junge sich mit schmerzendem Knöchel erhebt. Er entdeckt den Ring, der ihn und das Haus umgibt. Er blickt den Kreis der lauschenden Gesichter entlang, sucht sich zu erinnern: wie heißt der, wer ist dieser, wo ist die schwächste Stelle. Dann duckt er sich, läuft an, sie hören ihn kommen und verstärken unwillkürlich den Griff. Der Junge wirft sich gegen den Ring. Der Ring gibt nach und fängt ihn auf und umschließt ihn: er steckt drin wie ein Fisch in der Reuse. Sie nehmen ihn in ihre Mitte, halten ihn fest, bis der Bürgermeister dazukommt.
      Mit der ledernen Augenbinde, sagte der Mann mit der Stahlbrille.
      Mit der Augenbinde, sagte der Korrektor. Aber sie legen ihm die Augenbinde noch nicht an; sie führen oder schleppen ihn durchs Dorf, durch Tekhila. Sie zögern nicht. Sie wissen, was geschieht. Alles kommt dir vor wie eine Wiederholung. Jedenfalls bringen sie ihn raus zu dem alten Schöpfwerk draußen vor den Feldern.
      Da beraten sie, sagte der Rothaarige.
      Nein, sagte der Korrektor, sie beraten nicht. In der Geschichte beraten sie überhaupt nicht. Der Bürgermeister ruft nur einen Mann auf. Es ist ein Mann, von dem du sofort weißt, der hat einschlägige Erfahrungen. Dieser Mann hat eine gedrehte Schnur in der Tasche. Er bindet den Jungen am Balken des Schöpfrades fest; dann legt er ihm die lederne Augenbinde an, und während er das tut, merkst du, daß sie das gleiche mit ihm selbst gemacht haben, vor langer Zeit.
      Steht der Junge allein am Balken, fragte der Mann mit der Stahlbrille.
      Ein Maultier, sagte der Korrektor, am anderen Ende des Balkens ist ein Maultier festgebunden. Die Männer von Tekhila warten, bis alles getan ist. Das Maultier zieht an, der Junge geht mit, Runde für Runde. Wie lange, fragte der Rothaarige, wie lange wird er die Augenbinde tragen? Solange es nötig ist, sagte der Korrektor.
      Vielleicht müssen sie es so machen in Tekhila, sagte der Mann mit der Stahlbrille.
      Ja, sagte der Korrektor, vielleicht müssen sie es. Ich werd es
    nachlesen,
      Viermal wird Tekhila genannt, und jedesmal schreibt

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