Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
es sich anders.
Das sieht dem Nest ähnlich.
Ja, das sieht ihm ähnlich; ich hab überall nachgeschlagen, ich konnte nichts finden.
Überhaupt nichts?, fragte der Mann mit der Stahlbrille. Doch, sagte der Korrektor, ein paar Namen, die sich so ähnlich anhören wie Tekhila.
Der Rothaarige steckte die Karten ein, blickte durchs Abteilfenster und nahm seine Aktentasche aus dem Gepäcknetz. Es lohnt sich wohl nicht mehr zu geben, sagte er. Nein, sagte der Korrektor, es lohnt nicht mehr.
1966
Die Schmerzen sind zumutbar
Wir sind noch nicht einmal mit dem Stubenreinigen fertig, wir beide von der Vernehmung, da erscheint sein Adjutant. Der Adjutant läßt sich von Erich Meldung machen, hört genau zu, viel genauer und sorgenvoller als sonst, mustert uns mit skeptischer Neugierde, auch mit Mißtrauen, gibt sich mit unserer Vorderansicht nicht zufrieden und umrundet uns, sehr langsam umrundet er uns und prüft uns auch von hinten, so daß Erich und mir bald klar ist: das wird kein gewöhnlicher Tag. So lange hat sich sein Adjutant noch nie mit uns beschäftigt. Die langsamen Bewegungen, die Aufmerksamkeit, das spickende Mißtrauen sagen uns gleich: der hat was auf dem Herzen, und daß wir uns nicht täuschen, beweist er uns durch die Art, wie er unser Werkzeug durchmustert, auf das wir mitunter zurückgreifen müssen. Schweigend, mit gesenktem Gesicht geht er zum Streckbrett hinüber, betrachtet nachdenklich Wippe und Nagelbank, begrüßt stumm Schläuche, Stricke und elektrische Kabel, schenkt auch den Klemmen und Ledergürteln sein Interesse, die sich in einwandfreier Disziplin anbieten. Der Adjutant sagt kein einziges Wort, er nickt nicht einmal. Steif bewegt er sich, zögernd, er ist bedrückt. Wir erwarten etwas von ihm, erwarten sogar etwas Bestimmtes - nennen wir es ruhig Anerkennung; die hat Erich durchaus verdient für den erfolgreichen Bügeltisch, den er selbst entwickelt hat. Aber sein Adjutant mustert und prüft nur alles, wobei er sich augenscheinlich vor Berührungen hütet, und dann geht er wieder stumm hinaus.
Wir blicken uns an, wir lösen uns aus der Spannung und wollen gerade mit der Deutung des Besuchs beginnen, als sein Stabschef erscheint. Auch der Stabschef läßt sich von Erich Meldung machen; auch der Stabschef betrachtet uns genauer und sorgenvoller als sonst, geht um uns herum, läßt sich hinten erklären, was wir ihm vorne schuldig bleiben; zuletzt befiehlt er uns, die Hände zu heben. Wir heben die Hände. Der Stabschef dreht die Innenflächen nach oben, er beginnt zu lesen. Die Lektüre gibt die nötigen Auskünfte, er lächelt vorsichtig, sein Mißtrauen scheint teilweise widerlegt. Der Stabschef hat unsere Hände mit Gewinn gelesen, Er drückt sie sacht nach unten und sieht sich um, vielleicht wird er ein anerkennendes Wort für den Bügeltisch übrig haben, den Erich entwickelt hat. Der Stabschef wendet sich unentschlossen unserem Werkzeug zu, als der Bursche des Oberbefehlshabers mit zwei Wolldecken, einer Flasche Cognac und Zigaretten erscheint. Der Bursche zwinkert uns zu, für sein Zwinkern ist er bekannt. Achtsam legt er die Wolldecken auf das Streckbrett, stellt den Cognac auf die Wippe, legt die Zigaretten gut sichtbar daneben. Erich sieht ihn verwirrt an, und man weiß, was er fragen mochte, aber nicht zu fragen wagt. Der Bursche ordnet seine Uniform und stellt sich so neben der Tür auf, daß man vor lauter Erwartung nur noch die Tür anstarrt, es bleibt einem nichts anderes übrig.
Wir blicken auf die Tür. Der Stabschef hat, im Gegensatz zum Adjutanten, unser Werkzeug flüchtig, vielleicht gedankenlos betastet; jetzt kommt er näher und blickt ebenfalls auf die Tür. Uns braucht keiner mehr zu sagen, mit wessen Besuch wir zu rechnen haben. Auf einmal seufzt der Stabschef; auch wenn es unwahrscheinlich klingt: er seufzt und zuckt die Achseln und gibt Erich durch eine Geste zu verstehen, daß ihn etwas bedrückt. Es ist ihm anzusehen, daß er Erich mit seiner Sorge bekannt machen möchte, aber einstweilen noch nach dem Ton sucht, in dem das geschehen könnte. Der Stabschef sucht nach einer angemessenen Form des Anvertrauens. Er spürt Widerstände. Dann sagt er, was wir schon wissen; nach einem Seitenblick auf den Burschen des Oberbefehlshabers sagt er, daß der Oberbefehlshaber selbst hier gleich erscheinen wird, wir möchten uns darauf vorbereiten. Wir starren auf die Tür: der Oberbefehlshaber ist noch nie bei uns im Vernehmungszimmer gewesen,
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